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       # taz.de -- Neue Regierung in den Niederlanden: Asylrechtsverschärfung in neuem Gewand
       
       > In den Niederlanden nimmt die „strengste Asylpolitik jemals“ Gestalt an.
       > Statt per Notstandsverfügung kommt sie nun allerdings in Gesetzesform.
       
   IMG Bild: Premierminister Dick Schoof während einer Pressekonferenz am 21. Oktober
       
       Amsterdam taz | Nach wochenlangem Streit ist sich die niederländische
       Rechts-Koalition zum Vorgehen in der Asyl-Politik einig: die sogenannte
       „Asyl-Krise“, einer der Kernpunkte des Regierungsprogramms, ist vom Tisch.
       Zur Bekämpfung dieses vermeintlichen Notstands war vorgesehen, dass die
       Regierung am Parlament vorbei ein [1][Paket an Akut-Maßnahmen]
       verabschiedet. Vor allem die rechtspopulistische Partij voor de Vrijheid
       (PVV) hatte seit dem Antritt der Koalition im Juli darauf bestanden. Der
       gemäßigt-konservative Nieuw Sociaal Contract (NSC) stellte sich wegen
       rechtsstaatlicher und juristischer Bedenken quer.
       
       Am Mittwoch einigten sich PVV, NSC und der parteilose [2][Premier Dick
       Schoof] nun auf eine neue Formel: angepeilt wird ein
       „Asyl-Notmaßnahmen-Gesetz“, wie es Schoof in einem Konzept-Papier
       formulierte, das dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender NOS vorlag. Dieses
       soll „so schnell wie möglich“ ausgearbeitet und – entscheidender
       Unterschied – dem Parlament vorgelegt werden. Am Donnerstag beriet sich die
       gesamte Koalition, zu der auch die liberal-rechte Volkspartij voor Vrijheid
       en Democratie (VVD) sowie die BoerBurgerBeweging (BBB) zählen, über das
       weitere Vorgehen.
       
       Am inhaltlichen Kurs der Regierung ändert sich im wesentlichen nichts:
       unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigungen sollen abgeschafft, begrenzte von fünf
       auf drei Jahre Gültigkeit verkürzt werden. Weiterhin fallen volljährige
       Kinder nicht mehr unter den Familien-Nachzug.
       
       Deutlich verschlechtern wird sich nach Annahme des Gesetzes die Situation
       syrischer Geflüchteter: Teile des Landes sollen noch dieses Jahr als sicher
       deklariert werden, sodass zumindest von dort stammende
       Antragsteller*innen ohne Aufenthaltsstatus abgeschoben werden können
       –.und eventuell auch anerkannte.
       
       ## Deutsche Grenzkontrollen als Vorbild
       
       „Wenn möglich noch dieses Jahr“ will die Regierung das sogenannte
       „Verteilungs-Gesetz“ ihrer Vorgängerin loswerden, das erst zu Jahresbeginn
       angenommen wurde. Es ermöglicht ihr, Asylbewerber*innen anteilig in
       den Kommunen des Landes unterzubringen – vergleichbar mit der EU-internen
       Verteilung Geflüchteter. Die „Vereinigung niederländischer Kommunen“ (VNG)
       sah darin ein Mittel, die Unterbringung von Asylbewerber*innen
       „nachhaltig und stabil“ zu regeln. Rechten Parteien und Medien war das
       Gesetz seit jeher ein Dorn im Auge.
       
       Ähnlich wie das Nachbarland Deutschland will Den Haag ab Ende November auch
       Grenzkontrollen einführen. Der entsprechende Beschluss aus Berlin war im
       Spätsommer von Asylministerin Marjolein Faber (PVV) wohlwollend begrüßt
       worden. Mit eigenen Kontrollen wolle man „zeigen, dass wir Ernst machen mit
       der strengsten Asylpolitik jemals“, so zitierte der im Grenzgebiet
       ansässige Rundfunk-Sender Omroep Gelderland Faber. Die ´strengste
       Asylpolitik jemals´, bzw. ´Europas´ ist seit Antreten der Regierung eines
       ihrer inhaltlichen Aushängeschilder.
       
       Mit der Einigung wendet die Koalition eine drohende Kabinettskrise und ein
       schnelles Ende der [3][umstrittenen Regierung] ab, an der die PVV erstmals
       nicht nur beteiligt, sondern nach ihrem [4][haushohen Wahlsieg 2023] die
       stärkste Kraft ist. In niederländischen Medien wird dies vielfach als
       Zeichen dafür gesehen, dass die PVV kompromissbereiter ist als gedacht.
       „Das nächste Mal, dass Wilders mit einer Kabinettskrise droht, werden ihn
       nicht alle ernst nehmen“, bilanziert die Tageszeitung Volkskrant.
       
       Die Entwicklungen in Den Haag lassen sich freilich auch anders deuten:
       indem die PVV möglichst lange auf drastische Maximal-Forderungen bestand,
       erhöhte sie den Druck soweit, dass sie ihre Pläne nun realisieren kann und
       dabei nicht als Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit erscheint, sondern als
       kompromissorientiert.
       
       24 Oct 2024
       
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   DIR Tobias Müller
       
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