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       # taz.de -- Neue Zahlen zu Asyl in der EU: Kaum noch Wege nach Europa
       
       > Die Zahl der Asyl-Erstanträge in der Europäischen Union geht 2024 um 11
       > Prozent zurück. Das liegt auch an Abschottung weit außerhalb der
       > EU-Grenzen.
       
   IMG Bild: Flüchtende aus den derzeit größten Krisengebieten – hier Sudan – haben gar keine Chance, in Europa anzukommen
       
       Berlin taz | Wer vor Krisen und Konflikten flieht, schafft es seltener nach
       Europa. Zu diesem Ergebnis kommt die EU-Asylagentur EUAA in ihrem am Montag
       vorgestellten Jahresbericht für 2024. Die Zahl der EU-weiten
       Asyl-Erstanträge sank demnach um rund 100.000 oder etwa 11 Prozent auf rund
       eine Million. Das Gros dieses Rückgangs geht auf besonders stark sinkende
       Asylzahlen in Deutschland zurück: Hier stellten 229.000 Menschen einen
       Asyl-Erstantrag, das war ein Minus von über 30 Prozent. Die Zahlen in
       anderen großen EU-Staaten wie Spanien (169.000) sowie Frankreich und
       Italien (jeweils 159.000) blieben 2024 nahezu gleich.
       
       Zwar wurden damit in Deutschland weiterhin die meisten Anträge in der EU
       gestellt. Auf die Einwohnerzahl umgerechnet machte das indes mit einem
       Antrag je 352 Einwohner:innen im EU-Vergleich nur Platz 8 aus.
       Griechenland landete mit einem Antrag je 141 Einwohner:innen vorn.
       
       EU-Staaten, die mit illegalen und gewaltsamen Pushbacks gegen Geflüchtete
       vorgehen – und oft zu den Wortführern bei Forderungen nach noch härterem
       Vorgehen zählen – liegen bei den Antragszahlen weit hinten: Polen, mit
       seinen rund 36 Millionen Einwohner:innen, nahm gerade 17.000 Anträge
       entgegen, in Kroatien waren es 1.200 Anträge, in den drei baltischen
       Staaten zusammen etwa 2.600 Anträge, Ungarn nahm keinen einzigen Asylantrag
       an. In den skandinavischen Ländern Finnland, Dänemark und Schweden, die
       eine teils besonders strikte Anti-Flüchtlingspolitik verfolgen, stellten
       zusammen nur rund 15.000 Menschen einen Antrag.
       
       Auffällig ist, dass Menschen aus vielen Regionen, die von
       Hilfsorganisationen als derzeit schwerste humanitäre Krisen weltweit
       eingestuft werden, unter den Schutzsuchenden in der EU heute praktisch
       keine Rolle mehr spielen. So sind Menschen aus Sudan/Süd-Sudan,
       Gaza/Palästina, Äthiopien, Niger oder Burkina Faso – wo Millionen Menschen
       auf der Flucht und von Gewalt betroffen sind – in der EUAA-Liste der
       Herkunftsländer für 2024 gar nicht mehr ausgewiesen. Die Zahlen liegen
       damit allenfalls im Bereich einiger Tausend Anträge pro Jahr EU-weit.
       
       ## Syrer:innen noch immer größte Gruppe der Schutzsuchenden
       
       Zu den Gründen dafür zählt auch, dass für Menschen aus diesen
       Konfliktregionen Fluchtwege weitgehend versperrt sind. Die mit
       Milliardensummen aus der EU vorangetriebene Migrationskontrolle in Ländern
       wie Ägypten, Tunesien, Libyen, Marokko, Senegal oder Mauretanien hat die
       Möglichkeiten, aus den Konfliktgebieten in Ost- oder Westafrika zu
       flüchten, zuletzt stark eingeschränkt.
       
       Im zentralen Mittelmeer fiel die Zahl der Ankünfte 2024 um 42 Prozent auf
       etwa 66.000 Menschen. Gleichzeitig berichten Menschenrechtsorganisation
       über zunehmende, teils tödliche Gewalt gegen Geflüchtete, unter anderem
       [1][Human Rights Watch (HRW) in einem Bericht vom Januar 2025]. „Migranten,
       Asylsuchende und Flüchtlinge sind Gewalt, illegalen Zurückweisungen und
       sogar dem Tod ausgesetzt, weil die EU auf Abschreckung und
       Externalisierungspolitik setzt“, sagte Benjamin Ward von HRW. Die EU müsse
       diese „schädlichen Strategien aufgeben und Europas Kollaboration mit dem
       Missbrauch von Menschen, die außerhalb seiner Grenzen unterwegs sind,
       beenden“.
       
       Auch nach dem [2][Zusammenbruch des Assad-Regimes] in Syrien im Dezember
       2024 fliehen Menschen weiter aus dem Land. 2024 stellten Syrer:innen
       insgesamt rund 150.000 Asylanträge in der EU, das war ein Rückgang um etwa
       20 Prozent. Syrer:innen bleiben damit aber weiter die größte Gruppe, die
       in der EU Schutz sucht.
       
       Trotz der Versuche, das Asylrecht auszuhebeln, blieb die Anerkennungsquote
       2024 EU-weit stabil bei rund 42 Prozent in der ersten Instanz. Gleichzeitig
       wird Antragsteller:innen EU-weit häufiger sogenannter subsidiärer
       Schutz, eine Art Asyl light gewährt, was unter anderem den Familiennachzug
       erschwert oder unmöglich macht.
       
       Fast die Hälfte aller Anträge (48 Prozent) kam EU-weit von Menschen aus
       Ländern mit einer Ablehnungsquote von mindestens 80 Prozent, darunter
       Bangladesch, Marokko und Tunesien.
       
       Deutschland lag bei der Anerkennungsquote fast exakt im Schnitt. Nicht
       eingerechnet sind dabei aber unter anderem die Fälle, deren Klagen gegen
       Ablehnungen vor den Verwaltungsgerichten Erfolg haben. Rechnet man diese
       hinzu, lag die sogenannte bereinigte Gesamtschutzquote 2024 in Deutschland
       zuletzt bei etwa 63 Prozent.
       
       3 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.hrw.org/news/2025/01/16/eu-migration-policies-fuel-abuses-across-borders
   DIR [2] /Ende-des-Assad-Regimes/!6051443
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Jakob
       
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