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       # taz.de -- Neues Prostitutionsgesetz: Nie mehr ohne Gummi
       
       > Das Kondom soll in der Sexarbeiter-Branche verpflichtend werden. Darauf
       > verständigten sich SPD und Union in einem Eckpunktepapier.
       
   IMG Bild: Mit Reklame: Bordell in Freiburg.
       
       BERLIN taz | Manuela Schwesig wirkt hochzufrieden. Gerade noch haben sich
       Union und SPD um die Details eines Prostituiertenschutzgesetzes gestritten
       – nun kann die Bundesfamilienministerin Einigung vermelden.
       
       Laut einem neuen Eckpunktepapier der Großen Koalition soll künftig
       bundesweit die Kondompflicht eingeführt werden. Das von der Union
       geforderte Mindestalter für Prostituierte von 21 Jahren ist vom Tisch.
       Zudem wird künftig eine „gesundheitliche Beratung“ verpflichtend, nicht
       gleichzusetzen mit einer medizinischen Untersuchung, wie Schwesig betont.
       Prostituierte, die jünger als 21 Jahre sind, müssen sich künftig alle sechs
       Monate beraten lassen.
       
       Sie freue sich über die Einigung, sagt die SPD-Politikerin am Mittwoch vor
       Journalisten. Wichtig sei, „dass alle Regeln, die wir machen, dem Schutz
       der Frauen dienen“. In den zurückliegenden zehn Jahren habe die Politik die
       Missstände zwar gesehen, aber nichts getan. „Kaum Schutz, viel Ausbeutung
       und Gewalt beherrschen bislang die Tagesordnung.“
       
       Im Spätsommer hatten Union und SPD das Gesetzesvorhaben umrissen. Man hatte
       sich auf eine Anmeldepflicht für Prostituierte und eine
       Betriebsstättenerlaubnis für Bordellbetreiber geeinigt. Außerdem auf das
       Verbot von Flatrate-Sex, Gangbang-Parties und Werbung für ungeschützten
       Verkehr. Strittig blieben die Themen Beratung, Kondompflicht sowie das
       Mindestalter der Prostituierten. Die nun gefundene Einigung soll
       garantieren, dass die Union den Gesetzentwurf aus dem SPD-Ressort
       tatsächlich mitträgt. Diesen will Schwesig im März vorlegen.
       
       ## Entrüstung groß
       
       Die Opposition reagiert auf den Großkoalitionär als Durchbruch gehandelten
       Kompromiss entrüstet. Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der
       Linkspartei, erklärt die Kondompflicht zu „reiner Symbolpolitik und genauso
       wenig überprüfbar wie das Pinkeln in ein Schwimmbecken. Die Pflicht zur
       medizinischen Beratung erinnert unangenehm an die
       ,Bockschein‘-Wiedereinführung.“ Bockschein nannte man früher das
       amtsärztliche Gesundheitszeugnis, das Prostituierte bis zum Jahr 2000
       vorweisen mussten.
       
       Grünen-Fachpolitikerin Ulle Schauws bezeichnet die Einigung als „Rückschlag
       für die Prostituierten. Durch Zwang rettet man niemanden.“ Zwar sei es gut,
       dass sich die Union mit ihrer Forderung nach dem Mindestalter von 21 Jahren
       nicht habe durchsetzen können. Gleichwohl seien Zwangsberatungen
       „stigmatisierend und unverhältnismäßig“. Auch sie hält die vereinbarte
       Kondompflicht für nicht kontrollierbar.
       
       ## Verteidigung der Kontrolle
       
       Ministerin Schwesig hingegen verteidigt sie. Logischerweise sei die
       Kondompflicht weder einfach durchsetzbar noch kontrollierbar. Aber die
       gesetzliche Festschreibung unterstütze Prostituierte dabei, auf dem
       Benutzen von Kondomen zu bestehen. Die noch festzusetzenden Bußgelder
       sollen denn auch ausschließlich gegen die Freier verhängt werden können.
       „Wir wollen nicht die Frauen belasten, sondern wir wollen etwas für ihren
       Schutz tun.“
       
       Schwesig verteidigt ebenfalls die Beratungspflicht. Die sei wichtig, um
       gleichzeitig auch Beratungsangebote machen zu können. Ziel sei es, ein für
       Unbefugte nicht einsehbares Register von Prostituierten anzulegen. Dass
       Prostitution nicht verboten werden könne, zeige eine aktuelle Untersuchung
       aus Schweden. Dort werden die Freier bestraft. In Deutschland werde es
       statt dessen für die Betreiber von Prostitutionsstätten eine
       Erlaubnispflicht und eine Zuverlässigkeitsprüfung geben. „Es wird erstmalig
       klare Regelungen für die legale Prostitution in Deutschland geben“.
       
       4 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Maier
       
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