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       # taz.de -- Nordkorea-USA-Gipfel: Sonderzug aus Pjöngjang
       
       > Viele Südkoreaner sehen hoffnungsvoll auf den Gipfel in Hanoi. Doch eine
       > komplette nukleare Abrüstung in Nordkorea ist unwahrscheinlich.
       
   IMG Bild: Im Zuge der Zeit: Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un ist mit einem Spezialzug zum Gipfel gereist
       
       Seoul taz | Die Rollen in Hanoi sind eindeutig verteilt: Während Donald
       Trump sich in den letzten Monaten als wechselhaft bis unberechenbar gab,
       verfolgt Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un eine konsistente Linie:
       Zuallererst möchte er eine Sicherheitsgarantie für sein Regime.
       
       Aus jenem Grund hat die Kim-Dynastie schließlich überhaupt erst angefangen,
       ihr Nuklearprogramm zu entwickeln. Ein Friedensabkommen mit den USA könnte
       die Grundlage dafür sein, dass sie zumindest Teile ihres Arsenals abrüstet
       – etwa den Atomreaktor Yongbyon.
       
       Erst am Samstag hatte ein ehemaliger CIA-Beamter ein vertrauliches Gespräch
       mit dem 35-jährigen Kim öffentlich gemacht, das dessen Willen zur
       Denuklearisierung beweisen soll: Darin sprach der Nordkoreaner von seiner
       verantwortungsvollen Vaterrolle und dass er für seine Kinder wünsche, dass
       diese die Last der Nuklearwaffen nicht ihr ganzes Leben mit sich trügen.
       
       Unter Nordkorea-Experten herrscht jedoch breiter Konsens darüber, dass das
       Regime in Pjöngjang in absehbarer Zeit nicht vollkommen abrüsten werden.
       Sondern nur ausreichende Schritte unternehmen, um Trump bis zum Ende seiner
       planmäßigen Amtsperiode zufriedenzustellen.
       
       ## Zu großes Risiko
       
       [1][Dass Trump derzeit händeringend einen Erfolg benötigt], stärkt
       natürlich Nordkoreas Verhandlungsposition. Allein Kims Anreise stellt
       symbolisch die Kontinuität des Regimes dar: Der Enkelsohn reist wie bereits
       sein Großvater und Staatsgründer Kim Il Sung mit demselben gepanzerten
       Sonderzug nach Hanoi an. Aus einem vierstündigen Flug wird so eine
       dreitägige Odyssee.
       
       Doch gleichzeitig ist Kim Jong Un ein neuartiger Staatsführer: Er genoss
       seine Schulbildung in der Schweiz, gilt als Basketball-Fan und weiß bestens
       über das internationale Parkett Bescheid. Als erster Kim überhaupt
       versprach er seiner Bevölkerung ganz explizit wirtschaftlichen Wohlstand.
       Bei bestehenden Wirtschaftssanktionen wird er den ausgerufenen Aufschwung
       wohl nicht einhalten können.
       
       Nordkorea-Forscher Theo Clement vom Londoner King’s College vermutet, dass
       Kim mit seiner Charmeoffensive gegenüber Washington und Seoul auch interne
       Machtkämpfe provozieren könnte: „Kim Jong Un ist zwar sicherlich ein
       begnadeter Stratege. Das Atomprogramm zur Verhandlung zu stellen – das
       politischen Erbe seines Vaters und Großvaters – ist jedoch definitiv ein
       großes Risiko.“
       
       Die konservativen Hardliner innerhalb der nordkoreanischen Arbeiterpartei
       würden die derzeitige Annäherung an die USA und Südkorea vor allem als
       Bedrohung der inneren Stabilität betrachten.
       
       ## Südkoreas Motive
       
       Bei der Lockerung der Wirtschaftssanktionen kann Kim jedoch auf Seoul
       zählen: Südkoreas Präsident Moon Jae Ins innerkoreanische Annäherung hat
       schließlich zuletzt ein Plateau erreicht. Er möchte endlich auch die
       geplanten Wirtschaftsprojekte mit dem Norden anstoßen: Zunächst soll eine
       vom Hyundai-Konzern finanzierte Hotelanlage im nordkoreanischen
       Diamantengebirge wiedereröffnet werden, die sich exklusiv an südkoreanische
       Touristen richtet.
       
       Ebenfalls wartet die Sonderwirtschaftszone Kaesong auf eine
       Wiedereröffnung: Südkoreanische Fabrikbesitzer wollen ihre seit 2016
       stillgelegten Anlagen wieder beziehen, um mit günstigen nordkoreanischen
       Arbeitskräften Textilwaren anzufertigen.
       
       Die wirtschaftliche Integration zwischen Nord und Süd sorgt für Austausch,
       bietet aber auch einen Anreiz für nachhaltigen Frieden. Gleichzeitig
       jedoch, so warnen konservative Kritiker, stabilisiert es das Regime in
       Pjöngjang durch bitter benötigte Auslandsdevisen.
       
       Moon handelt dabei nicht nur aus idealistischen Gründen: Seine Umfragewerte
       sind zuletzt von utopischen 80 Prozent auf unter 50 Prozent gesunken.
       Schuld daran ist eine kontroverse Wirtschaftspolitik, die einen rapiden
       Anstieg des Mindestlohns und erhöhte Steuern vorsieht. Die Kooperation mit
       dem Norden könnte für einen neuen Wirtschaftswachstum sorgen, zumal die
       Jugendarbeitslosigkeit derzeit auf einem Rekordhoch steht.
       
       ## Verbreiteter Optimismus
       
       Erst am Montag lobte Südkoreas Präsident Moon Jae In Trumps
       Nordkorea-Diplomatie für seine „mutige Entschlossenheit“. Viele seiner
       Landsleute sehen das ähnlich: Im Gegensatz zu Barack Obama, dessen
       Untätigkeit und Passivität in der Korea-Frage viele Südkoreaner
       enttäuschte, gilt Trump mittlerweile als unkonventioneller Pragmatiker, der
       einen Deal mit Kim herausschlagen könne.
       
       Laut einer aktuellen Umfrage des koreanischen Marktforschungsinstituts
       Realmeter zeigen sich zudem 62 Prozent der Bevölkerung optimistisch, dass
       der bevorstehende Gipfel in Hanoi positive Resultate bringe.
       
       27 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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