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       # taz.de -- Norwegische Miniserie „Beforeigners“: Zombies der Vergangenheit
       
       > Die Wikinger:innen kehren zurück – durch ein Zeitloch, das sich in
       > Oslo aufgetan hat. Hervorragend umgesetzt in der Miniserie
       > „Beforeigners“.
       
   IMG Bild: Die Protagonistin Alfhildr (Krista Kosonen, l.) war früher Schildmaiden und ist heute Kommissarin
       
       Einmal hatten wir in der Redaktion eine Austauschjournalistin aus Norwegen
       zu Gast. Die war sehr patent, klug und freundlich und gab mir jeden Tag mit
       selbstbewusster Herablassung zu verstehen, dass sie sich Gott sei dank nur
       vorübergehend in einem dysfunktionalen Drecksland aufhielt. Und damit hatte
       sie ja, wenn wir [1][uns in Coronadeutschland so umschauen], auf fast schon
       seherische Weise recht.
       
       „Beforeigners“ heißt die sechsteilige norwegische Miniserie, die Sie sich
       derzeit in synchronisierter Fassung in der ARD-Mediathek anschauen können;
       und ich rate unbedingt zu. In der Serie hat sich in der Bucht von Oslo ein
       Zeitloch aufgetan, aus dem die einstigen Bewohner ebendieser lieblichen
       Gegend herausploppen wie aus einer platzenden Fruchtblase. Die modernen
       Osloer:innen sehen sich also mir ihren mesolithischen und
       gründerzeitlichen Vorfahren konfrontiert – vor allem aber mit ihren
       altnordischen, den, Sie ahnen es, Wikinger:innen, deren Sprache wir hören
       dürfen, und die nach genussvollem Kauen von Walrosskräckern klingt.
       
       In wunderschönen, flanierenden Vorspännen wird zu jeder Folge das
       entspannt-verwundert-ausweichende Verhältnis der Zeitgenossen zu den Sitten
       und Gebräuchen ihrer nun plötzlich sehr realen Verwandtschaft ins Bild
       gesetzt; und wenn eine Wikinger-Schild-Maid ein posttraumatische Störungen
       auslösendes Gemälde in einem Museum zerfetzt, dann holt die mit ihr
       befreundete Wikingerpolizistin sie ganz lässig aus dem Schlamassel: Sind
       die potentiell gefährlichen Kunstwerke mit Hinweisen auf Mesolithisch und
       Altnordisch versehen, wie es die Vorschrift vorschreibt? Na? Natürlich
       nicht, und den Museumsangestellten bleibt nur, die Sache wegzugrummeln und
       auf eine Anzeige zu verzichten.
       
       Die Polizistin heißt Alfhildr Enginsdottir (Krista Kosonen) und soll unter
       zahlreichen Anfeindungen als erstes zeitwanderndes Feigenblatt die Polizei
       diverser machen. Ihr Kollege Lars (Nicolai Cleve Broch) ist nicht so
       zeitgenössisch nett und normal wie er heißt und aussieht, sondern auf Droge
       in sehr nordisch cleaner Form: Er tropft sich jeden Abend und in der Serie
       zunehmend auch tagsüber die Birne mit Zeittropfen weg, die eigentlich für
       die Neuankömmlinge den Schock des Lebens im 21. Jahrhunderts temporär
       abfedern sollen. Angenehm unmystisch entwickelt sich dann eine tatsächlich
       spannende und intelligente Krimihandlung, die sich zum klarerweise in beide
       Richtungen durchlässigen Ursprungsloch der Geschichte hin dreht. Die zweite
       Staffel ist dementsprechend schon in Arbeit.
       
       Was läuft, was liefe eigentlich hierzulande? Wenn unsere Vorfahren wieder
       ans Licht kämen, die wir doch so oberprima wegbewältigt haben? Oder gibt es
       das Zeitloch etwa noch, irgendwo im Erzgebirge zum Beispiel? Und wie gehen
       wir um mit den Zombies aus der Vergangenheit? Als ein
       [2][Breivik-Verschnitt] Alfhildr Enginsdottirs Freundin Urd rassistisch
       anpöbelt, reicht eine klare Ansage, um ihn zu verjagen. Antifa ist eben
       immer auch Wikingerinnenarbeit.
       
       24 Mar 2021
       
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