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       # taz.de -- Not in Demokratischer Republik Kongo: Die größte Hungerkrise der Welt
       
       > Ein Drittel der kongolesischen Bevölkerung leidet akut Hunger, warnen
       > Experten. Derweil lähmt politischer Stillstand auf allen Ebenen das Land.
       
   IMG Bild: Schon lange sind viele von Hilfe abhängig. Heute ist die Lage dramatischer denn je
       
       Berlin taz | Am Mittwoch nach Ostern schlug die UN-Mission im Kongo
       (Monusco) Alarm: 27,3 Millionen Menschen in der Demokratischen Republik
       Kongo hätten zu wenig zu essen, hieß es auf der wöchentlichen
       Monusco-Pressekonferenz in Kinshasa: „ein Drittel der Bevölkerung, so viele
       wie nie zuvor“. Kongo sei nunmehr „das Land auf der Welt mit der größten
       Anzahl von Personen, die Hilfe zur Ernährungssicherheit benötigen“.
       
       Quelle für den Aufschrei war die [1][neue sogenannte IPC-Untersuchung für
       Kongo], in der Regierung und UN gemeinsam halbjährlich die Ernährungslage
       der Bevölkerung ermitteln, nach Kategorien von eins (ernährungssicher) bis
       fünf (Hungersnot) aufteilen und Prognosen abgeben. Für den Zeitraum Februar
       bis Juli 2021, hieß es da, hätten von 96 Millionen Einwohnern nur knapp 28
       Millionen genug zu essen. Für knapp 41 Millionen weitere sei die Lage
       „strapaziert“, 27,3 Millionen steckten in einer Hungerkrise oder sogar
       Notsituation – 28 Prozent der Bevölkerung. Ende 2020 waren es demnach sogar
       33 Prozent gewesen. In manchen schwer von Bürgerkrieg gezeichneten
       Provinzen wie Ituri und Kasai liegt der Anteil sogar bei 50 Prozent.
       
       Die Zahlen sind dramatischer denn je und zeigen, wie weit die Demokratische
       Republik Kongo auch fast zwei Jahrzehnte nach Ende des Kongokrieges, in dem
       das Land zerfallen war, von Stabilität entfernt ist. Nach UN-Angaben liegt
       auch die Anzahl der Kriegsvertriebenen mit über 5 Millionen Menschen
       derzeit auf Rekordniveau.
       
       „Fast 70 Prozent der Bevölkerung lebt auf dem Land in einer Situation
       absoluter Armut und Prekarität“, führt die IPC-Analyse aus und nennt Gründe
       für die stetige Zunahme des Hungers: „Anwesenheit zahlreicher bewaffneter
       Gruppen, Spannungen zwischen Gemeinschaften, Epidemien, Naturkatastrophen,
       chronische Armut, schlechte landwirtschaftliche Produktivität, Fehlen von
       Infrastruktur und Dienstleistungen“.
       
       ## Aus Tshisekedis Plänen wurde kaum etwas
       
       Vor allem Letzteres wollte der neue Präsident [2][Felix Tshisekedi] ändern,
       als er im Januar 2019 als Sohn des historischen Vorkämpfers der
       kongolesischen Demokratiebewegung den seit 2001 regierenden Joseph Kabila
       an der Macht ablöste. Daraus wurde kaum etwas, und das liegt nicht nur an
       der Covid-19-Pandemie, die 2020 einen dramatischen Wirtschaftseinbruch
       verursachte und damit sämtliche Aufbaupläne des Staates zunichtemachte: der
       Staatshaushalt 2020 schrumpfte von geplanten 11 auf 5,7 Milliarden
       US-Dollar, für 2021 rechnet der Staat nur noch mit 3,5 Milliarden US-Dollar
       Einnahmen.
       
       Kongo ist auch in einer tiefen politischen Krise gefangen, seit Tshisekedi
       dem mächtigen Kabila-Lager den Kampf angesagt hat. Ein im Februar ernannter
       neuer Premierminister hat bis heute keine neue Regierung gebildet und das
       Land wird mit Notverordnungen regiert. Tshisekedi hat wichtige Generäle aus
       Kabila-Zeiten ausgewechselt, doch seitdem präsentiert sich die Armee wie
       gelähmt gegenüber bewaffneten Gruppen, die im Osten des Landes überall neu
       aufblühen. Die politische Klasse in Kinshasa ist mit Machtspielen im
       Vorfeld der nächsten Wahlen 2023 beschäftigt. „Das Fehlen einer Regierung
       blockiert und zerstört das Land“, sagt der Bürgerrechtler Georges Kapiamba.
       
       Die UN-Mission im Kongo (Monusco) kann diesen Stillstand nicht
       kompensieren, da sie sich selbst im Umbruch befindet. Die Amtszeiten sowohl
       von Monusco-Chefin Leila Zerrougui als auch von Monusco-Befehlshaber
       General Costa Neves sind in den ersten Monaten dieses Jahres ausgelaufen.
       Die neue Missionschefin Bintou Keita aus Guinea muss sich erst noch bekannt
       machen, Neves’ Nachfolger – der wie er aus Brasilien kommen wird – ist noch
       gar nicht da. Ein perfektes Machtvakuum.
       
       12 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.ipcinfo.org/ipc-country-analysis/details-map/en/c/1154108/?iso3=COD
   DIR [2] /Machtkampf-im-Kongo/!5736891
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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