# taz.de -- Ode ans Radio: Radio hat Geburtstag, tralalalala!
> Das Radio feiert seinen 100. Geburtstag. Es kann nebenbei gehört werden,
> Hauptprogramm, politisches Instrument oder stumpfe Unterhaltung sein.
IMG Bild: Schauspielerin Blanche Bates und ihr Sohn mit ihrem Eagle Neutrodyne Receive in New York, Februar 1925
Nächste Woche wird das Radio 100 Jahre alt. Nach der hierzulande
vorherrschenden Zählart jedenfalls, die den regulären Sendebetrieb der
Berliner Funk-Stunde AG am 23. Oktober [1][1923] als Startpunkt sieht.
Deshalb gibt es viele Geburtstagsständchen landauf, landab und vor allem in
der ARD. Sogar das Fernsehen macht mit. Wobei der Anstaltsverbund hier mal
wieder das Kunststück hinbekommt, ganz nach seinem alten Werbeslogan „Wir
sind (un)eins“ zu leben. Es gibt zwar eine gemeinsame Doku „100 Jahre Radio
– Deutschland on Air“ im Ersten.
Aber zur selben Zeit sendet der Bayerische Rundfunk, der ja ohnehin zum
Rest der ARD ein ganz eigenes Verhältnis hat, eine eigene
TV-Selbstbeweihräucherung mit dem Titel „100 Jahre Radio – Eine
Liebeserklärung“. Und auch der SWR ist im Südwestfernsehen mit „Radio aktiv
– 100 Jahre Rundfunk“ unterwegs. Was zu der Erkenntnis führt, dass Radio in
Bitburg wohl was anderes als in Bautzen ist. Es sei denn natürlich, es
berichtet über Arthrose.
## Unser liebstes Medienkind
Aber was ist Radio überhaupt? Nach den Nutzungszahlen bleibt es weiter
unser liebstes Medienkind. Unter der Dusche, beim Frühstück, beim
Autofahren. Allerdings eher mal nebenbei. Das war am Anfang noch ganz
anders. Dass da wer sprechen, singen, lachen oder weinen konnte und alle
hörten mit, war eine Sensation.
Albert Einstein sah bei seiner Rede zur Eröffnung der Funkausstellung 1930
das Radio als die ganz große Völkerverständigungsmaschine und machte als
Wissenschaftler einer Gruppe ein Kompliment, an die bei den heutigen
Mediendebatten kaum jemand denkt, weil nur noch „Content“ als „King“
durchgeht:
„Verehrte An- und Abwesende“, sprach Einstein damals mit ironischer
Klarheit, „wenn ihr den Rundfunk höret, denket auch daran, dass die
Techniker es sind, die erst wahre Demokratie möglich machen.“ Damit lag er
leider schon bald ziemlich falsch.
## Hilfsmittel der Demokratie?
Was unter den [2][Nazis mit dem Radio] passierte, ist hinlänglich bekannt.
„Per se ist es nicht falsch, dass Technik ein Hilfsmittel für gelebte
Demokratie sein kann. Wenn man es zulässt. Sie machen es möglich, aber sie
entscheiden nicht darüber“, sagt die Mitbewohnerin.
Radio ist bis heute innovativ und vorn mit dabei. Nur dass es dann eher
Audio heißt und nicht mehr linear und streng nach Programmschema abläuft,
sondern selbstbestimmt mit Spotify und anderen Playlists. Zugegeben,
anfangs fremdelte es noch mit seinen neuen Darreichungsformen. Doch heute
gehören Podcasts dazu.
Und wir sind gespannt, was als Nächstes kommt. Radio geht auch in weiteren
Feldern vorbildhaft voran, wie sich bei dem diesjährigen
Nachhaltigkeitspreis zeigt. Da ist das bayerische Privatradio [3][egoFM für
nachhaltige Medienproduktion] und verantwortungsbewusste Berichterstattung
nominiert. Also auch hier: Herzlichen Glückwunsch!
20 Oct 2023
## LINKS
DIR [1] /Buch-ueber-das-Schicksalsjahr-1923/!5865004
DIR [2] /Presse-im-Nationalsozialismus/!5959219
DIR [3] https://www.egofm.de/blog/deutscher-nachhaltigkeitspreis
## AUTOREN
DIR Steffen Grimberg
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