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       # taz.de -- Öffnungsdebatte im Landesparlament: Nicht so einfach zu erklären
       
       > Friseure ja, Kosmetikstudios nicht? Das Abgeordnetenhaus stimmt den
       > jüngsten Coronabeschlüssen des Senats ohne Änderung zu.
       
   IMG Bild: Während der Lockdown bis zum 7. März gilt, sollen Friseure schon am 1. März öffnen können
       
       Berlin taz | Mehr Öffnung! Weniger! Vorsichtiger! Nicht mehr lange
       durchhaltbar! Die Bandbreite der Meinungen zur Lockdownverlängerung bis zum
       7. März ist groß an diesem Sonntagmorgen im Abgeordnetenhaus – in der
       Opposition wie in der rot-rot-grünen Koalition. Ein neues Gesetz schreibt
       vor, das Parlament stärker zu beteiligen, und so könnten die Abgeordneten
       in ihrer Sondersitzung an diesem Morgen die jüngsten Coronabeschlüsse des
       Senats auch kippen oder ergänzen. Tun sie aber nicht, jedenfalls nicht die
       der Koalition. Wobei von der SPD-Fraktion am Rednerpult zu hören ist, man
       trage diesen Weg mit, „obwohl wir ihn als Weg der zweiten Wahl betrachten“.
       
       Während der Himmel immer blauer und sonniger wird, kreist die Debatte unter
       dem Glasdach des Plenarsaals um die zentrale Frage der Öffnung. Der Senat
       hat die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin
       vom Mittwoch übernommen, wonach der Lockdown noch drei Wochen weitergeht
       und nur Friseure ab 1. März öffnen dürfen.
       
       „Das ist sicherlich nicht einfach zu erklären“, räumt Carsten Schatz als
       Chef der Linksfraktion ein – warum nicht auch andere Bereiche der
       Körperpflege, könnte man fragen? Wenn aber auch Hunderte Kosmetikstudios
       dazukämen, wird das aus seiner Sicht „zu viel und zu schnell.“
       
       ## Keine Chance für Blumenstände
       
       Änderungen kann sich vor allem die FDP-Fraktion vorstellen, auch im
       Kleinen: Warum etwa blieben Blumenstände auf Wochenmärkten verboten, wenn
       sich in Supermärkten Blumen kaufen ließen, fragt ihr Vorsitzender Sebastian
       Czaja, dringt damit aber nicht durch. Für AfD-Fraktionschef Georg Pazderski
       war der Lockdown „von Anfang an falsch, und deshalb kann er auch sofort
       beendet werden ohne Teilschritte oder Stufenpläne“.
       
       Der CDU-Fraktion wiederum gehen die Dinge nicht zu langsam, sondern zu
       schnell. In den Schulen, beginnend mit den Klassenstufen 1 bis 3, ab dem
       22. Februar im Wechselunterricht zu starten, kommt für sie ohne
       ausreichende Vorbereitung.
       
       „SPD, Linke und Grüne wollen ohne jede Sicherheit öffnen: zu wenige
       Luftfilteranlagen, keine CO2-Ampeln in den Klassenzimmern, keine
       Schnelltests für Schülerinnen und Schüler“, kritisieren die
       Christdemokraten.
       
       Fraktionschef Burkard Dregger warnt: „Ein verfrühtes Öffnen führt in den
       nächsten Lockdown.“ Noch vor gar nicht langer Zeit hatte die Berliner CDU
       dem Senat vorgehalten, zu sehr einzuschränken.
       
       ## SPD attackiert Minister Spahn
       
       Torsten Schneider, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion,
       sieht das anders als Dregger. Er kündigt an, man werde nicht warten, bis in
       den Klassenräumen 8.000 Luftfilter eingebaut seien, und konzentriert seine
       Kritik auf jemanden, der gar nicht im Saal ist: Bundesgesundheitsminister
       Jens Spahn von der CDU ist aus seiner Sicht schuld an der jetzigen
       Situation mit zu wenig Impfstoff. „Wir leben mit der Pandemie“, sagt
       Schneider, „und das ist der falsche Weg“.
       
       Denn der macht für den SPD-Politiker einen robusten Lockdown bis zum Herbst
       erforderlich – „das wird diese Gesellschaft nicht aushalten“. Schneiders
       Schlussfolgerung: „Es ist ein unvermeidbarer Weg, zu mehr Öffnungen zu
       kommen.“ Was demzufolge offenbar auch geschehen soll, wenn die
       Corona-Infektions-Inzidenzen nach dem 7. März noch nicht unter den
       angestrebten Wert von 35 gesunken sind.
       
       ## Kalayci bittet um Geduld und Diszilplin
       
       Andere sind an diesem Morgen von Öffnungsperspektiven weit entfernt.
       Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) bittet die Bevölkerung „um Geduld
       und weiter Disziplin“, lobt den Senat für seine bisherigen
       Anti-Coronamaßnahmen, die den Inzidenzwert seit Mitte November von 238 auf
       aktuelle 58 gebracht haben. Quasi unisono mit CDU-Fraktionschef Dregger
       warnt sie, zu schnelle Öffnungen könnten die bisherigen Erfolge in der
       Pandemiebekämpfungen zunichte machen.
       
       Leichte Kritik an den aktuellen Coronabeschlüssen des Berliner Senats kommt
       schließlich vom grünen Regierungspartner.
       
       Dessen bildungspolitische Sprecherin, Marianne Burkert-Eulitz, kann nicht
       nachvollziehen, warum nicht, so wie die kaum älteren Grundschüler, auch
       Kinder in Kindertagesstätten auf Corona getestet werden sollen – „das
       muss möglich sein“.
       
       14 Feb 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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