URI: 
       # taz.de -- Ökonom über Zölle auf E-Autos aus China: „Es gibt kein Recht auf Billigware“
       
       > China habe trotz der neuen EU-Zölle auf E-Autos kein Interesse an einem
       > Handelskrieg, sagt Ökonom Jürgen Matthes. Europa sei als Markt zu
       > wichtig.
       
   IMG Bild: Chinesische E-Pkws warten in Bremen auf einen Abnehmer
       
       taz: Herr Matthes, die EU-Kommission hat [1][Sonderzölle auf
       Elektrofahrzeuge aus China] beschlossen. Werden E-Autos aus China
       hierzulande teurer? 
       
       Jürgen Matthes: Die Ausgleichszölle sollen die künstlich niedrigen Preise
       der chinesischen E-Autos erhöhen, weil sie zum Teil das Ergebnis hoher und
       wettbewerbsverzerrender Subventionen in China sind. Man weiß allerdings
       noch nicht, ob und wenn ja um wie viel die chinesischen Hersteller ihre
       Preise für europäische Kunden anheben würden, wenn die Zölle wirklich
       kommen.
       
       Auch Modelle europäischer Hersteller, die in China gebaut werden, dürften
       teurer werden. Ist das nicht widersinnig? 
       
       Es geht der Europäischen Kommission um die gesamtwirtschaftliche
       Perspektive. EU-Unternehmen, die in China fertigen, profitieren dort laut
       den Erkenntnissen der Kommission offenbar ebenfalls von gewissen
       staatlichen Hilfen und subventionierten Vorprodukten. Damit stehen unfair
       subventionierte chinesische Arbeitsplätze in direkter Konkurrenz zu
       europäischen Arbeitsplätzen, die nicht oder sehr viel weniger
       subventioniert sind.
       
       In Europa gebaute E-Autos werden so konkurrenzfähiger? 
       
       Der Preisvorteil der chinesischen Modelle verringert sich wahrscheinlich
       zumindest etwas. Dies führt vermutlich dazu, dass hierzulande mehr
       Fahrzeuge aus europäischer Produktion verkauft werden.
       
       Höhere Preise für Importautos sind ein Nachteil für hiesige Haushalte, die
       E-Autos erwerben. Wo liegen die Vorteile? 
       
       Der entscheidende Punkt ist, dass die Kommission die europäische
       Fahrzeugindustrie gegen unfairen Wettbewerb schützen will. Die Autobranche
       bietet in der EU insgesamt 13 Millionen Arbeitsplätze, Wohlstand und
       soziale Sicherheit. In Brüssel ist man der Meinung, dass diese Vorteile
       durch den Schutz der europäischen Produktion die Vorteile preisgünstiger
       chinesischer Importe überwiegen. Tatsächlich gibt es kein grundsätzliches
       Recht auf subventionierte Billigware.
       
       Warum sind Autobauer wie VW und BMW gegen die Zölle? 
       
       Sie fürchten um ihre Absatzmöglichkeiten in dem für sie wichtigen
       chinesischen Markt, sie machen sich Sorgen wegen eventueller Gegenmaßnahmen
       der Regierung in Peking, die ja auch schon offen angedroht wurden.
       
       Dagegen plädieren vier Fünftel der hiesigen [2][Industrieunternehmen], die
       jüngst Sie in einer Studie befragten, eher für Zölle und Schutzmaßnahmen.
       Woher kommen diese unterschiedlichen Interessen? 
       
       Vermutlich sprechen da viele kleinere und mittlere Firmen, die sich durch
       die subventionierte asiatische Konkurrenz auf ihren angestammten Märkten
       unter starken Druck gesetzt fühlen und daher zu Entlassungen und
       Produktionskürzungen greifen müssen. Für die ist der chinesische Markt
       vermutlich weniger wichtig.
       
       Werden die Zölle zum Bumerang? 
       
       Peking hat offen angedroht, dass man auch weitere europäische Branchen ins
       Visier nehmen könnte – beispielsweise Chemieprodukte, Schweinefleisch oder
       Brandy. China wird sicherlich gewisse Gegenmaßnahmen ergreifen, allein um
       nach all den Drohungen das Gesicht zu wahren. Ich vermute aber, dass es
       eher bei Nadelstichen gegen hiesige Produzenten bleibt. Denn die
       chinesische Wirtschaft läuft nicht gut. Wegen der vielen US-Sanktionen ist
       der europäische Markt für sie wichtiger geworden. Deshalb ist es nicht im
       strategischen Interesse Chinas, ihn durch einen immer weiter
       eskalierenden Handelskrieg zu beschädigen.
       
       Wie sieht es in anderen Branchen aus? 
       
       Unsere aktuelle Umfrage deutet darauf hin, dass es unfairen Preiswettbewerb
       nicht nur bei E-Autos, sondern zum Beispiel auch in der Chemie- und
       Elektroindustrie oder im Maschinenbau etwa bei Baumaschinen gibt. Wir
       sollten uns ganz grundsätzlich klarmachen: Wer steht auf der richtigen, wer
       auf der falschen Seite? Nicht wir betreiben mit den neuen Zöllen
       regelwidrigen Protektionismus, sondern China bricht die Regeln mit seinen
       wettbewerbsverzerrenden Subventionen. Die Kommission bewegt sich dagegen
       bewusst im Regelsystem der Welthandelsorganisation.
       
       Die EU-Kommission hat eingeräumt, dass hiesige Subventionen für heimische
       Firmen bei der Bestimmung der Zölle nicht gegengerechnet wurden. Ist das
       nicht auch unfair? 
       
       Ich halte das [3][Argument der Kommission] für weitgehend tragfähig. Denn
       die Kaufzuschüsse für E-Autos etwa in Deutschland bekommen die Kunden für
       alle Modelle, auch für chinesische. Hiesige Finanzhilfen, etwa
       Forschungsförderung, sind breit angelegt. Generell gilt: Im Vergleich zum
       chinesischen ist das hiesige Subventionsniveau marginal, das zeigen viele
       Studien.
       
       13 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hohe-Strafzoelle-auf-E-Autos/!6013537
   DIR [2] /Geldforderungen-der-Industrie/!6013567
   DIR [3] /Strafzoelle-gegen-China/!6013477
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannes Koch
       
       ## TAGS
       
   DIR China
   DIR Subventionen
   DIR Europäische Union
   DIR Handel
   DIR Elektromobilität
   DIR Zölle
   DIR Erderwärmung
   DIR Zölle
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR China
   DIR China
   DIR Verkehrswende
   DIR Michael Hüther
   DIR Verkehrswende
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Handelsstreit der EU: E-Autos aus China ohne Zusatzzölle
       
       Die Strafabgaben der EU gelten nicht rückwirkend ab Juli, wie zunächst
       geplant. Außerdem setzt die Kommission niedrigere Sätze an.
       
   DIR Chinesische E-Autos aus der Türkei: Strafzölle ausgehebelt
       
       Mit der Produktion von E-Autos in der Türkei umgeht China die Strafzölle
       der EU. Sinnvoller wäre die finanzielle Förderung europäischer E-Autos.
       
   DIR Strafzölle auf chinesische E-Autos: EU führt vorläufige Strafzölle ein
       
       Die EU hat im Handelsstreit mit China um die Einfuhr von E-Autos
       entschieden. Die Kommission verhängt ab Freitag vorläufig Zusatzzölle von
       bis zu 37,6 Prozent.
       
   DIR Chinas Rohstoffe für die Transformation: Peking beansprucht Kontrolle
       
       Seltene Erden sind wichtig für Smartphones oder Elektroautos. Und sie
       kommen vor allem aus China. Das Land erlässt nun neue Regeln für den Umgang
       damit.
       
   DIR Robert Habeck in China: Klare, wirkungsvolle Worte
       
       Wirtschaftsminister Habeck kritisiert bei seinem Besuch in China Pekings
       Haltung im Ukraine-Krieg. Und verhandelt trotzdem erfolgreich bei den
       Zöllen.
       
   DIR Robert Habeck in China: EU-Zölle überschatten China-Trip
       
       Der Wirtschaftsminister reist nach Südkorea und China. Angedrohte EU-Zölle
       auf chinesische E-Autos werden die Verhandlungen erschweren.
       
   DIR Strafzölle auf chinesische E-Autos: Gefahr für Antriebswende befürchtet
       
       Die EU will Strafzölle für E-Autos aus China. Endlich, sagen die einen.
       Andere fürchten schwere Folgen. Wie die Pläne in Deutschland ankommen.
       
   DIR Ökonom Hüther über die Schuldenbremse: „Investieren in den Klimaschutz“
       
       Der Ökonom Michael Hüther fordert den Ausbau von Infrastruktur und eine
       Dekarbonisierung der Wirtschaft. Dafür müsse die Schuldenbremse ausgesetzt
       werden.
       
   DIR Neuzulassungen von Pkw: Leichte Autos sind Mangelware
       
       2023 wurden in Deutschland kaum Pkw zugelassen, die weniger als eine Tonne
       wiegen. Kleine E-Autos müssten attraktiver werden, fordert ein Bündnis.