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       # taz.de -- Ökonomen für gerechtes Klimageld: Genug für Arme, nichts für Reiche
       
       > Der CO2-Preis wird steigen. Ökonomen des Deutschen Instituts für
       > Wirtschaftsforschung fordern ein Klimageld als Ausgleich für steigende
       > Energiekosten.
       
   IMG Bild: Alte Kühlschränke kosten viel Energie. Neu viel Geld
       
       Berlin taz | Kein Klimageld für Reiche – das ist die Botschaft einer Studie
       des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Wenn der
       Staat einen finanziellen Ausgleich für steigende Energiekosten zahlt, dann
       sollte er sich auf untere Einkommensgruppen konzentrieren, [1][so
       DIW-Ökonom:innen in einer am Mittwoch veröffentlichten Studi]e.
       
       Mit Blick auf die hohen Belastungen durch steigende Energiekosten für
       Haushalte mit wenig Geld mahnen die Wissenschaftler:innen die
       Einführung eines Klimageldes an. Die einkommensstärksten 30 Prozent der
       Bürger:innen sollen es allerdings nicht bekommen. So sollen genug Mittel
       für diejenigen zur Verfügung stehen, bei denen steigende Energiekosten zu
       besonderen Härten führen und bei denen ein Klimageld die Mehrbelastung
       nicht ausgleicht.
       
       Der Hintergrund: Ein zentrales Instrument [2][der Klimapolitik ist der
       CO2-Preis.] Er liegt zurzeit bei 45 Euro pro ausgestoßener Tonne
       Kohlendioxid. Die Bundesregierung hat beschlossen, den Preis 2025 auf 55
       Euro anzuheben. 2026 soll er bei 65 Euro liegen.
       
       Dadurch werden die Kosten für fossile Energien steigen, Wärme und Sprit
       werden teurer. Ab 2027 soll [3][der CO2-Preis] auf europäischer Ebene
       festgelegt werden. Expert:innen erwarten dann einen sprunghaften
       Anstieg, der bei bis zu 200 Euro liegen könnte. „Ohne Entlastungen für die
       Bürger führt der steigende CO2-Preis zu einer ungleicheren
       Einkommensverteilung“, warnt DIW-Ökonom Stefan Bach. Denn Ärmere geben
       einen höheren Anteil ihres Einkommens für Energie und Mobilität aus.
       
       ## Klimageld steht im Koalitionsvertrag
       
       Über solche Entlastungen – Klimageld oder Klimaprämie genannt – wird seit
       Jahren diskutiert. Es soll unbürokratisch ausgezahlt werden. „So würde es
       auch diejenigen erreichen, die Sozialleistungen nicht beantragen, obwohl
       sie Anspruch darauf haben“, sagt Bach. Das sind etwa die sogenannten
       „working poor“ – jene, die trotz Arbeit arm sind. Oder arme Rentnerinnen,
       die die Grundsicherung im Alter häufig nicht in Anspruch nehmen.
       
       Finanziert werden könnte das Klimageld aus den Einnahmen aus dem CO2-Preis.
       Die Ampel will es laut Koalitionsvertrag zwar einführen, stellt dafür aber
       bislang kein Geld bereit. Die Einnahmen aus dem CO2-Preis fließen in den
       Klima- und Transformationsfonds und sind für diverse andere Projekte
       vorgesehen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) behauptet, das
       Klimageld könne wegen des fehlenden „Auszahlungsmechanismus“ nicht
       ausgezahlt werden. Bis 2025 will er einen Auszahlungsweg finden.
       
       Viele Modelle für ein Klimageld sehen einen Beitrag in gleicher Höhe für
       alle vor. Weil Gutverdienende aufgrund ihres höheren Konsums mehr Sprit und
       Wärme verbrauchen, bleibt bei denen mit wenig Geld mehr über, so die Idee.
       Aber: Der CO2-Preis trifft Arme und Reiche nicht gleich. „Haushalte mit
       gutem und sehr hohem Verdienst sind in Relation zu ihren Einkommen weniger
       stark von der CO2-Bepreisung betroffen“, sagt Bach. „Wer viel Geld hat,
       lässt sein Haus energetisch sanieren oder kauft ein Elektroauto, was ja
       auch noch üppig von Staat gefördert wird.“
       
       Wer in einer unsanierten Mietwohnung lebt, kann kaum etwas dagegen
       unternehmen. Die meisten Besser- und Hochverdienenden brauchen deshalb kein
       Klimageld, sagt er. Gleichzeitig reicht es für manche Arme nicht, wenn die
       einen hohen Energieverbrauch haben.
       
       ## 124 Euro pro Kopf
       
       Der Studie zufolge würden die privaten Haushalte bei einem CO2-Preis von 65
       Euro mit 12,2 Milliarden Euro belastet. Ohne einen finanziellen Ausgleich
       würde mehr als die Hälfte der Haushalte 0,5 Prozent ihres Nettoeinkommens
       für den CO2-Preis ausgeben. Schüttet der Staat die Einnahmen aus dem
       CO2-Preis – abzüglich der Mehrwertsteuer – aus, bekäme jede:r einen Betrag
       von 124,09 Euro. Haushalte im untersten Zehntel der Einkommensverteilung
       würden so um 0,6 Prozent des Nettoeinkommens entlastet. Bei mittleren
       Einkommen würden sich Be- und Entlastung ausgleichen. Die reichsten 30
       Prozent würden um 0,2 Prozent entlastet.
       
       Allerdings: In den einkommensschwächsten Gruppen gäbe es zahlreiche
       Härtefälle, die trotz Klimageld stark belastet würden. Gerade
       Bürger:innen mit wenig Geld können häufig an ihrem Energiebedarf nichts
       ändern, etwa weil sie sich neue energieeffiziente Elektrogeräte nicht
       leisten können.
       
       Würden nur Bürger:innen mit niedrigen und mittleren Einkommen das
       Klimageld bekommen, würden genug Mittel für gezielte Fördermaßnahmen für
       Härtemittel frei, so die Wissenschaftler:innen. Weil eine Einkommensprüfung
       bei der Auszahlung des Klimageldes zu aufwendig ist, schlagen die
       Ökonom:innen vor, dass der Staat sich den Betrag bei den Wohlhabenden
       über die Einkommenssteuer zurückholt.
       
       Österreich hat bereits ein gestaffeltes Klimageld zwischen 145 Euro und 290
       Euro im Jahr. Dort hängt die Höhe allerdings von der Region ab. Menschen,
       die in einer Umgebung mit einem gut ausgebauten ÖPNV leben, bekommen einen
       niedrigeren Betrag als jene in ländlichen Gebieten ohne gute Zug- oder
       Busanbindung.
       
       Anmerkung der Redaktion: Im letzten Absatz stand ursprünglich, dass
       Menschen in einer Umgebung mit einem gut ausgebauten ÖPNV mehr Geld
       bekommen als diejenigen auf dem Land. Wir haben die Stelle korrigiert, denn
       es ist andersherum: Sie bekommen weniger Geld.
       
       16 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.diw.de/de/diw_01.c.917856.de/publikationen/wochenberichte/2024_42_1/.html
   DIR [2] /Steigender-CO2-Preis-ohne-Klimageld/!6028395
   DIR [3] /CO2-Preis/!t5631366
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
       
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