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       # taz.de -- Ölfund in Brasilien: Freude über Klimakiller
       
       > Brasilien will sich beim nächsten Weltklimagipfel als Vorreiter
       > präsentieren. Nun aber feiert es den Fund eines beachtlichen
       > Tiefsee-Ölvorkommens.
       
   IMG Bild: 5 vor 12: Präsident Luis Inácio Lula da Silva fährt mitten in der Klimakrise eine zweischneidige Strategie
       
       SALVADOR DA BAHIA taz | Vor wenigen Tagen hat [1][der britische Ölkonzern
       BP] einen Rekordfund verkündet, ein neues Tiefsee-Ölvorkommen rund 500
       Kilometer von der Küste vor Rio de Janeiro. Im sogenannten Bumerang-Block,
       für den BP im Jahr 2022 eine Lizenz erworben hatte, seien bei
       Probebohrungen Öl, Gas und eine hohe CO₂-Konzentration nachgewiesen worden.
       
       BP bezeichnet die Entdeckung im Becken von Santos als den größten Fund der
       letzten 25 Jahre. Analysten und Medien feiern die Neuigkeit als
       bahnbrechend für den Konzern. Der brasilianische Minister für Energie und
       Bergbau zeigt sich begeistert: „Das ist wieder einmal ein Beweis für
       Brasiliens Vorreiterrolle im Energiesektor.“
       
       Auf der [2][Klimakonferenz COP 30 im November in Belém] wollte Brasiliens
       Präsident Luis Inácio Lula da Silva sich eigentlich in einer anderen
       Vorreiterrolle präsentieren – in der Klimapolitik. Null Abholzung bis 2030
       und eine signifikante Reduzierung des CO₂-Ausstoßes hatte er bei der
       vorherigen Konferenz angekündigt.
       
       Im April 2025 forderte er gemeinsam mit UNO-Generalsekretär António
       Guterres bei einer virtuellen Konferenz von 20 Regierungschefs
       nachdrücklich ambitioniertere Ziele für die Reduktion des CO₂-Ausstoßes.
       Ziel des Treffens sollte der Aufbau eines neuen Entwicklungsmodells sein –
       basierend auf wirtschaftlichem Wohlstand, ökologischer Nachhaltigkeit und
       sozialer Inklusion.
       
       ## Ölförderung statt Energiewende
       
       Wenige Monate später geriet Lula ins Kreuzfeuer der Kritik, weil er die
       [3][Versteigerung von Explorationsgebieten im Amazonasbecken] gegen
       heftigen Widerstand von Umweltschützern und Indigenen durchsetzte. Die
       Bundesstaatsanwaltschaft hatte sogar eine Klage angestrengt, um die
       Versteigerung auszusetzen, bis aussagekräftige Studien über dessen Folgen
       für das Klima und benachbarte indigene Völker vorlägen. Ohne Erfolg.
       
       „Brasilien sollte sich lieber um die Energiewende kümmern“, kommentierte
       damals Nicole Oliveira von der Umweltschutz-NGO Arayara und wies darauf
       hin, dass das brasilianische Ministerium für Bergbau und Energie das Thema
       nicht einmal auf der Agenda stehen habe.
       
       Mitten in der Klimakrise fährt Lula eine Strategie, die den weltweiten
       Anstrengungen zum Verzicht auf fossile Brennstoffe entgegenläuft. In drei
       Monaten trifft sich die Welt zum ersten Mal seit Rio 1992 auf einer
       Klimakonferenz in Brasilien, die vielen als letzte Chance gilt, die
       Erderwärmung wenigstens auf 2,5 bis 3 Grad zu beschränken. Da wirkt es
       nahezu sarkastisch, wenn das Land mit dem weltweit größten tropischen
       Regenwald die Tatsache feiert, dass der britische Konzern – anstatt sich
       wie zuvor angekündigt erneuerbaren Energien zuzuwenden – zu den fossilen
       Klimakillern Öl und Gas zurückkehrt.
       
       78,8 Prozent der brasilianischen Ölförderungen stammen aus
       Tiefsee-Vorkommen. Das „Pré-Sal“ genannte größte Gebiet wurde 2006 vor der
       Südküste unter dem Meeresboden entdeckt. Es erstreckt sich über 150
       Quadratkilometer und katapultierte das Land seitdem auf den ersten Platz
       der ölfördernden Länder Lateinamerikas und weltweit unter die Top Ten.
       
       ## Bedrohte Meeresfauna
       
       Die dort von der Umweltschutzbehörde Ibama erteilten Fördergenehmigungen
       werden jetzt in einem unter anderen von der Forschungsstiftung Osvaldo Cruz
       Foundation aufgelegten „Bericht über Verluste und Schäden bei der Öl- und
       Gasförderung“ als fehlerhaft kritisiert. Wichtige wirtschaftliche und
       soziale Auswirkungen der Aktivität seien nicht berücksichtigt worden. Die
       Santos-Bucht beherbergt laut WWF die größte Vielfalt bedrohter Meeresfauna
       in ganz Brasilien und es sind dort 130 Schutzgebiete im Wasser und an Land
       ausgewiesen.
       
       Die Aktie der BP ist seit dem Fund umgehend gestiegen, obwohl nicht klar
       ist, wie viel Öl, Gas und CO₂ wirklich im Bumerang-Block in mehr als 2.300
       Metern Tiefe verborgen liegen und ob deren Förderung wirtschaftlich wäre.
       Es gibt in der Santos-Bucht andere bedeutende Vorkommen, die nie
       erschlossen wurden, weil sie eine zu hohe CO₂-Konzentration aufweisen.
       
       Die Erdölförderung in Brasilien wächst weiter. Laut der staatlichen
       Erdölagentur ANP wurden im Juli 2025 mit 3,7 Millionen Barrel zehn Prozent
       mehr Öl gefördert als im Vorjahr.
       
       6 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /BP/!t5011927
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   DIR [3] /Vor-der-Klimakonferenz/!6091627
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christine Wollowski
       
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