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       # taz.de -- Österreich nach dem ESC: Toleranz als Prestigegewinn
       
       > Österreichische Medien feiern die Toleranz des Landes. Selbst
       > konservative Stimmen freuen sich über den Sieg von Conchita Wurst in
       > Kopenhagen.
       
   IMG Bild: Conchita gewinnt: Jubel beim Public Viewing in Wien.
       
       WIEN taz | „Merci, Conchita!", jubelte der [1][biedere Kurier] am Morgen
       danach. Denn Hinweise auf den bisher einzigen Song Contest Gewinner
       Österreichs durften in keiner Zeitung fehlen. Udo Jürgens hatte sich 1966
       mit „Merci, Cherie“ beim dritten Anlauf durchgesetzt. Der Travestiekünstler
       Tom Neuwirth aus Oberösterreich stieg hingegen wie ein Phoenix aus der
       Asche der österreichischen Misserfolge der vergangenen Jahre. Über drei
       fünfte Plätze waren Österreichs Gesangstalente in den vergangenen 47 Jahren
       nicht hinausgekommen.
       
       „Jetzt ist Wurst wirklich unsterblich“, prognostizierte die Gratiszeitung
       Österreich. Conchitas makelloses Gebiss lachte am Muttertag von allen
       Titelseiten der Boulevard-Presse. Selbst die katholisch-konservative Die
       Presse hatte sich mit einem Bericht über die lange Tradition der Androgynie
       in der Popmusik auf die Sensation vorbereitet.
       
       Und auch im Kultursender Ö1 machten die Morgennachrichten mit dem Jubel um
       „die grazile bärtige Sängerin aus Bad Mitterndorf“ auf. „Ich bin gerade die
       schlechteste Interviewpartnerin, die man sich wünschen kann“, stammelte die
       sonst nicht auf den Mund gefallene Conchita Wurst nach ihrem Triumph ins
       Mikrophon.
       
       Die Medien feierten nicht nur die makellose Performance, sondern vor allem
       den Prestigegewinn für Österreich. „Es kann einem alles andere als Wurst
       sein, wenn Österreich einmal international als Bodenstation der Toleranz
       wahrgenommen wird – und nicht nur als Heimat der Ewiggestrigen“
       kommentierte Österreich. Conchitas Auftreten habe „dem Land einen großen
       Imageschub beschert und ein positives und sympathisches Zeichen gesetzt,
       auch wenn das ein paar homophobe Ungustln weit im Osten anders sehen“.
       
       ## Spott und Hass
       
       Tatsächlich dürften die angeekelten Kommentare russischer Politiker die
       Popularität der bärtigen Kunstfigur noch befördert haben. Dabei ist es noch
       gar nicht so lange her, dass Conchita Wurst auch in Österreich mit Spott,
       Verachtung und offenem Hass überschüttet wurde. Ihre Nominierung durch den
       ORF war alles andere als unumstritten und die Postings in manchen
       Internet-Foren grenzwertig.
       
       FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte noch vor wenigen Tagen in einem
       Interview getobt: „Wie kommen wir dazu als Zwangsgebührenzahler, dass da
       nicht die Gebührenzahler befragt worden sind und entscheiden durften“. Das
       Conchita-Fieber brach erst aus, als Wurst sich zum Medienstar in Europa
       mauserte und über Nacht bei den Buchmachern zum Geheimfavoriten aufstieg.
       
       Die Rundfunkgebührenzahler müssen in einem Jahr die Austragung des ESC in
       Österreich schultern, was keine billige Angelegenheit wird, wenn man sich
       von den technischen Raffinessen, die die dänischen Veranstalter
       ermöglichten, herausfordern lässt. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz
       gab sich ob der erwartbaren Kosten unbeeindruckt: „Österreich ist ein Land,
       das für Musik steht und mehrere Möglichkeiten hat, den Song Contest
       auszurichten. Ich sage heute nur: Österreich wird der Gastgeber sein“. Ob
       in Wien, Graz oder anderswo, ist noch nicht entschieden: „Wichtig ist, dass
       man viel Unterstützung von der jeweiligen Veranstalterstadt bekommt“. Und
       auch Wrabetz ist der Meinung: „Österreich ist toleranter geworden heute
       Abend.“
       
       Udo Jürgens wollte sich übrigens zu seinem Nachfolger nicht außern. Über
       seine Agentur ließ er der Austria Presseagentur noch vor dem Event
       ausrichten: „Er befindet sich im Ausland und wird den ESC auch nicht im TV
       verfolgen. Unabhängig davon möchte er sich nicht mehr zum ESC äußern. Das
       hat er seit 1966 bereits zur Genüge getan“.
       
       11 May 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://kurier.at/thema/songcontest/song-contest-conchita-wurst-triumphiert-in-kopenhagen/64.821.135
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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