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       # taz.de -- Pakistan vor der Wahl: Militär entscheidet Wahlergebnis
       
       > 240 Millionen Einwohner, aber nur ein denkbares Wahlergebnis:
       > Altpolitiker Sharif steht bereit. Der populäre Ex-Premier Imran Khan darf
       > nicht antreten.
       
   IMG Bild: Anhänger der Partei PTI des nicht zugelassenen Imran Khan demonstrieren mit einem Bild von ihm hinter Gittern in Peshawar, 29.Januar
       
       MUMBAI | taz | Schon der Wahlkampf begann mit monatelanger Verspätung. Die
       Stimmung ist gedrückt. Obwohl die Zeiten historisch sind: Zum dritten Mal
       in Folge wird am Donnerstag ein ziviles Parlament gewählt. 128 Millionen
       Wähler:innen sind registriert, die Atommacht Pakistan zählt über 240
       Millionen Menschen. Der Wahlsieger gilt als ausgemacht: Nawaz Sharif,
       dreimaliger Ex-Premierminister und zuletzt 2017 vom Obersten Gericht
       abgesetzt, steht nach seiner Rückkehr aus dem Exil vor seiner vierten
       Amtsübernahme.
       
       „Ich habe immer die Sharifs unterstützt“, sagt der 30-jährige Farah Ali aus
       der Millionenstadt Rawalpindi nahe der Hauptstadt. Doch dieses Mal sei er
       sich nicht sicher, für wen er stimmen möchte, sagt der Bürogehilfe. Die
       ärmere Bevölkerung gehe ohnehin leer aus. Das Establishment spiele immer
       die führende Rolle, und wer an die Macht komme, brauche immer den Rückhalt
       des Militärs.
       
       Nawaz Sharif ist ein Paradebeispiel dafür. Seine Befürworter:innen
       setzen darauf, dass der 74-Jährige als erfahrener Politiker Pakistan aus
       der Krise führen kann. Im Wahlkampf versprach er Arbeitsplätze, niedrigere
       Lebensmittelpreise und eine kostenlose Grundversorgung mit Strom.
       
       Als Umschuldungsauflage des Internationalen Währungsfonds IWF mussten
       nämlich die Preise stark erhöht werden – dabei fehlt es nicht nur an
       finanziellen Mitteln, sondern auch an der Verfügbarkeit von Strom selbst
       für Wohlhabende. Die anhaltende Inflation droht zudem die untere
       Mittelschicht in Armut zu stürzen.
       
       Die anstehende Rückkehr Sharifs bedeutet weder eine langfristige Befreiung
       des Landes aus dem Griff des Militärs noch ein Ende des massiven Einflusses
       der politischen Dynastien, die Pakistan seit fast einem halben Jahrhundert
       regieren. Sharif selbst gehört einer einflussreichen Familie an, die die
       konservative PML-N (Pakistanische Muslimliga) führt. Sie versucht, sich an
       der Wahlurne gegen die von der Familie Bhutto geführte PPP (Pakistanische
       Volkspartei) durchzusetzen.
       
       ## Keine Chance für Ex-Premier Imran Khan
       
       Einer der populärsten Kandidaten wäre eigentlich [1][der inhaftierte
       Ex-Premierminister Imran Khan]. Der einstige Cricket-Star, dessen Partei
       PTI (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) die letzten Wahlen 2018
       gewann, ist aber diesmal von den Wahlen ausgeschlossen. Dies nährt den
       Vorwurf der Wahlmanipulation. Der 71-Jährige, der sein Amt 2022 verlor und
       2023 vor Gericht kam, wurde erst vergangene Woche zu mehreren langen
       Haftstrafen verurteilt, [2][unter anderem wegen Korruption], der
       mutmaßlichen Weitergabe geheimer Dokumente und illegaler Eheschließung,
       nachdem seine letzte Hochzeit für unrechtmäßig erklärt wurde.
       
       Bei Pakistans letzten Wahlen 2018 genoss Khan noch die Gunst des Militärs.
       Der Populist versprach nach seinem Sieg, den Terrorismus einzudämmen und
       die Wirtschaft zu stärken. Stattdessen konzentrierte er die Macht immer
       weiter auf sich. Zuletzt begann er das Militär immer deutlicher zu
       kritisieren und verärgerte damit die politischen Drahtzieher des
       fünftbevölkerungsreichsten Landes der Welt.
       
       Im April 2022 wurde er [3][durch ein parlamentarisches Misstrauensvotum
       abgesetzt] und von einer Koalitionsregierung unter Nawaz Sharifs jüngerem
       Bruder Shehbaz ersetzt, der während Nawaz Sharifs Exil die Stellung
       gehalten hatte. Die Sharifs setzten sich mit Unterstützung der Eliten
       durch. Auch die Bhutto-Familie beteiligte sich und stellte in der Hoffnung
       auf politische Mitsprache den Außenminister.
       
       Khans Verhaftung führte zu landesweiten Demonstrationen. Zahlreiche
       Anhänger wurden wegen angeblicher Beteiligung an Angriffen auf
       Militäreinrichtungen verhaftet. Khan stand kurz davor, die Armee in zwei
       Lager zu spalten.
       
       ## Cricketschläger als Wahlsymbol
       
       Khans PTI wirft nun den Behörden vor, ihnen eine faire Wahlteilnahme zu
       verweigern. Expert:innen gehen dennoch davon aus, dass die PTI weiterhin
       Anziehungskraft hat. Viele jüngere Pakistaner:innen unterstützten die
       PTI, sagt Farhan Zaheer vom Südasien-Institut der Universität Heidelberg.
       Sie seien unzufrieden mit der Behandlung durch das Militär. „Es gibt daher
       große Frustration“, so Zaheer zur taz. Die Partei „könnte sich als
       respektable Oppositionspartei etablieren“. Wenn der Unmut der Bevölkerung
       sich nicht zu negativ auf die Wahlbeteiligung auswirkt.
       
       Allerdings fehlt der PTI ihr Wahlsymbol: der Cricket-Schläger, den viele
       mit Khan assoziieren. Viele PTI-Kandidat:innen werden formal als Parteilose
       kandidieren. Das sei aber kein Hindernis, meint Zaheer und beschreibt die
       PTI-Anhänger als technikaffin und gut informiert. Die 29-jährige Laraib aus
       Lahore im Punjab hat die PTI noch nicht abgeschrieben: „Ich werde für den
       Kandidaten aus seiner Partei stimmen“, sagt sie.
       
       Entscheidend wird eines sein: „Wer im größten Bundesstaat Punjab eine
       starke Regierung bildet, bildet auch eine starke Regierung in Pakistan“,
       sagt Experte Zaheer. Dies werde derzeit am ehesten Nawaz Sharif zugetraut.
       Sowohl das Militär als auch Sharif seien aufeinander angewiesen. Für Sharif
       birgt dieser Pakt allerdings ein hohes Risiko: Seine bisherigen Amtszeiten
       endeten alle vorzeitig, nachdem seine Beziehungen zur Militärführung in die
       Brüche gingen. Keine gewählte Regierung in Pakistan hat bislang die volle
       Amtszeit von fünf Jahren durchgestanden.
       
       ## Hinweise auf Wahlmanipulationen
       
       Dennoch hat das Militär Interesse daran, eine zivile Regierung
       aufrechtzuerhalten. Zur Vorbereitung der Wahlen übernahm im Sommer 2023
       eine militärnahe Interimsregierung die Amtsgeschäfte. Zu diesem Zeitpunkt
       bereitete sich Nawaz Sharif nach Jahren im Londoner Exil auf seine Rückkehr
       vor. Rechtzeitig vor den Wahlen wurde er von Korruptionsvorwürfen
       freigesprochen und tritt nun als Kandidat seiner Muslimliga an.
       
       Unterdessen verdichten sich Hinweise auf Wahlmanipulationen durch das
       Militär. Die Regierung schränkt das Internet [4][in der Krisenregion
       Balutschistan] ein und sperrt Nachrichten-Webseiten. Kandidaten der
       oppositionellen PTI sind starken Repressionen ausgesetzt und Proteste auf
       den Straßen werden unterdrückt, sagen Beobachter:innen.
       
       Imran Khan, der sich durch seine Inhaftierung kaum öffentlich äußern kann,
       ist zum Symbol gegen das politische Establishment geworden. Das verspricht
       keine ruhigen Zeiten. Dabei bräuchte Pakistan eine stabile Regierung. Nicht
       nur, [5][um den aktuellen Konflikt mit Iran zu bewältigen], sondern auch,
       um weiterhin Finanzhilfen und Investitionen zu sichern. Im vergangenen
       Sommer konnte Pakistan noch dank eines IWF-Rettungspakets in Höhe von drei
       Milliarden US-Dollar den Staatsbankrott abwenden. Die Unterstützung des
       Kreditgebers läuft im März aus.
       
       Mitarbeit: Annam Lodhi, Islamabad
       
       8 Feb 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Natalie Mayroth
       
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