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       # taz.de -- „Palästina-Kongress“ in Berlin: Keine Bühne für Hass
       
       > Vor dem geplanten „Palästina-Kongress“ in Berlin mehrt sich die Kritik.
       > Der Senat will ihn verbieten, Expert*innen warnen vor offenem
       > Antisemitismus.
       
   IMG Bild: Das rote Dreieck wurde nach dem 7. Oktober zum Symbol für Hamas-Unterstützer. Hier mitten auf dem Hermannplatz in Neukölln
       
       Berlin taz | Israelfeindliche und terrorverherrlichende Gruppen haben vom
       12. bis 14. April zu einem bundesweiten „Palästina-Kongress“ in Berlin
       aufgerufen. Schon jetzt sorgt das Ereignis aufgrund seiner inhaltlichen
       Ausrichtung und Teilnehmer für Aufregung.
       
       Unter den Organisatoren finden sich der Israel-Boykottbewegung BDS nahe
       Gruppen wie „Palästina Spricht“ „BDS Berlin“ oder die „Jüdische Stimme für
       gerechten Frieden in Nahost“. Der israelfeindliche Verein ist innerhalb der
       jüdischen Gemeinschaft isoliert und fällt immer wieder mit
       Terrorverharmlosung in Bezug auf [1][den 7. Oktober] auf.
       
       Außerdem trat er in der Vergangenheit in Verbindung mit der [2][Gruppe
       Samidoun] auf, die nach dem Terroranschlag der Hamas, bei dem Hunderte
       Menschen in Israel getötet wurden, in Deutschland [3][verboten wurde].
       Samidoun steht der palästinensischen Terrororganisation PFLP nahe.
       
       Die Veranstalter des „Palästina-Kongresses“ werfen Israel „Apartheid“ und
       einen „Genozid“ in Gaza vor und klagen eine „deutsche Mitschuld“ an. In
       einem internen Vorbereitungstreffen hieß es, mit Rednern aus dem Ausland
       solle die „Medienblockade“ in Deutschland durchbrochen werden. Außerdem
       werde „Widerstand“ gegen „die Besatzung Israel“ grundsätzlich als legitim
       erachtet.
       
       ## Veranstaltungsort ist geheim
       
       Auf der Veranstaltung sollen Tausende Israelgegner ihre
       Palästinasolidarität ausdrücken und gemeinsam eine Resolution
       verabschieden. Darin solle die Vision eines Palästinas [4][vom Fluss bis
       zum Meer] formuliert werden, also ein Palästina, das sich über das gesamte
       Gebiet des heutigen Israels sowie der Westbank und des Gazastreifens
       erstreckt. Für den jüdischen Staat wäre da kein Platz mehr. Laut
       Veranstaltern ist der Kongress bereits ausverkauft. Den Veranstaltungsort
       halten sie bislang geheim.
       
       Laut Kim Robin Stoller, Vorsitzende des Internationalen Instituts für
       Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung (IIBSA), sind in dem Kongress
       „sektiererische Linke“ und Personen mit Kontakten zum Unterstützungsmilieu
       der Hamas und der Muslimbruderschaft vereint. „Ich gehe davon aus, dass der
       Kongress als ein Katalysator für Antisemitismus, Israelhass und einer
       Befürwortung von Islamismus und Terrorismus fungieren wird“, sagt sie der
       taz.
       
       Auf dem Kongress versammeln sich laut Stoller außerdem Personen und
       Gruppen, „die den 7. Oktober als ‚Widerstand‘ und die Beteiligten als
       ‚Guerillakämpfer‘ bezeichneten, die aus ‚ihrem Ghetto ausgebrochen‘ seien
       oder in der Vergangenheit Kontakte zu Personen der Terrororganisationen
       oder dem Unterstützer:innenspektrum der Hamas oder PFLP hatten“.
       
       ## Redner leugnet systematische sexuelle Gewalt durch Hamas
       
       So zum Beispiel der Autor und Historiker Salman Abu Sitta, der als Redner
       gelistet wird. Wäre er jünger und würde er noch im „Konzentrationslager
       Gaza“ leben, hätte er auch einer von denen sein können, die den Zaun am 7.
       Oktober durchbrochen haben, schrieb er im Januar. Die [5][systematische
       sexuelle Gewalt durch die Terroristen] der palästinensischen Hamas sowie
       das Köpfen von Babys am 7. Oktober bezeichnete er als Falschinformation und
       üble Nachrede.
       
       2018 wurde Abu Sitta als Vorsitzender der Popular Conference for
       Palestinians Abroad (PCPA) betitelt. Die Organisation setzt sich unter
       anderem aus Strukturen und Personen zusammen, die der Hamas und
       Muslimbruderschaft politisch nahestehen oder mit ihnen sympathisieren.
       
       Einer ihrer Führer, Majid Alzeer, wurde bereits 2011 als Hamas-Aktivist
       identifiziert. Nach dem verkündeten Betätigungsverbot für die Hamas in
       Deutschland im vergangenen Jahr wurde bei Alzeer im Dezember eine
       Hausdurchsuchung durchgeführt. Die deutschen Sicherheitsbehörden rechnen
       ihm demnach eine zentrale Rolle im Hamas-Netzwerk in Deutschland zu.
       
       Im November, kurz nach dem Massaker vom 7. Oktober, sprach sich die Popular
       Conference for Palestinians Abroad dafür aus, „den Widerstand“, also den
       Hamas-Terror, zu unterstützen. Israel hat die Organisation bereits 2021 als
       Terrororganisation eingestuft.
       
       ## Hausdurchsuchungen bei Veranstaltern
       
       Ebenfalls auf der Rednerliste für den „Palästina-Kongress“ befindet sich
       der Arzt Ghassan Abu Sitteh. Auf Instagram verbreitete er unter anderem das
       antisemitische Narrativ vom „Kindermörder Israel“. Das israelische Militär
       töte vorsätzlich palästinensische Kinder in ihrem „genozidalen Krieg“, da
       sie „eine tödliche Bedrohung für das zionistische Projekt“ seien.
       
       Gegen zwei Personen aus dem Planungskreis der Veranstaltung läuft
       mittlerweile ein Ermittlungsverfahren. Das teilte die Berliner
       Staatsanwaltschaft auf Anfrage der taz mit. Tatvorwurf ist demnach eine
       versuchte Nötigung. Ein Zusammenhang zwischen der Durchsuchung und dem
       „Palästina-Kongress“ bestehe nicht, hieß es.
       
       [6][Wie der Tagesspiegel zuerst berichtete], war es am Freitag bei den
       Aktivisten Salah Said und Yasemin Acar zu Hausdurchsuchungen gekommen.
       Dabei sollen Mobiltelefone und andere Datenträger beschlagnahmt worden
       sein.
       
       Auf Instagram berichtete Said, dass dies bereits die dritte Durchsuchung
       innerhalb weniger Monate sei. Auf dem „Palästina-Kongress“ soll er einen
       Workshop geben. Said teilte auf Instagram erst kürzlich Propaganda der
       Hamas, die besagt, dass die israelische Geisel Yagev Buchshtav verhungert
       sei, weil Israel den Gazastreifen aushungere und keine medizinische
       Versorgung hineinlasse. Die Hamas nutzt solche Vorwürfe immer wieder als
       psychologische Kriegsführung.
       
       ## Senat will gegen den Kongress vorgehen
       
       Der Senat will ein Verbot oder zumindest eine Einschränkung des Kongresses
       durchsetzen. Das kündigte Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD)
       vergangene Woche im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses an. Geprüft werde
       auch, ob es Verbindungen zu der verbotenen PFLP-nahen Gruppe Samidoun gebe.
       
       Der „Förderkreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ hatte ebenfalls
       ein Verbot gefordert. Er sieht in der Veranstaltung „eine Diskriminierung
       der jüdischen Gemeinschaft und Untergrabung der Grundwerte unserer
       Gesellschaft“.
       
       25 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schuld-und-Krieg-im-Nahen-Osten/!5990145
   DIR [2] /Hamas-Unterstuetzer-in-Berlin/!5962283
   DIR [3] /Verbot-von-Hamas-und-Samidoun/!5970550
   DIR [4] /Umstrittene-Palaestinenserparole/!5969471
   DIR [5] /Sexualisierte-Gewalt-der-Hamas/!5994549
   DIR [6] https://www.tagesspiegel.de/berlin/umstrittener-palastina-kongress-in-berlin-polizei-uberrascht-mitplaner-mit-hausdurchsuchungen-11415113.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erica Zingher
       
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