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       # taz.de -- Pandemie in Indien: Im Ganges treiben Coronatote
       
       > In Indien breitet sich die Coronapandemie auf dem Land weiter mit Wucht
       > aus. Manchen Familien fehlen die Mittel für eine Bestattung ihrer Toten.
       
   IMG Bild: Angehörige bei einer Feuerbestattung von Covid-19-Opfern in Neu-Dehli am 6. Mai
       
       Mumbai taz | Hunderte safranfarbene Stofffetzen lugen aus dem trockenen
       Flussbett des Ganges im Norden Indiens. Hier wurden offenbar Leichen
       vergraben. Auch im Fluss selbst treiben tote Körper. Bilder davon gehen im
       Internet viral. Zuerst wurde von Fällen in Bihar berichtet, doch bald
       folgten Bilder aus ländlichen Regionen im Nachbarstaat Uttar Pradesh.
       
       Das Ufer des Ganges ist bekannt für seine Feuerbestattungsstellen. Doch
       bestätigte die Regierung schließlich, dass es sich bei einigen der Leichen
       um Opfer von Covid-19 handelt. Bei manchen ließ sich das nachträglich nicht
       mehr feststellen.
       
       An besonders heiligen Orten ist es jetzt nur noch erlaubt, die Asche von
       Verstorbenen in den als heilig geltenden Fluss zu streuen. In den letzten
       Tagen wurden laut der Lokalzeitung Dainik Bhaskar allein in Uttar Pradesh
       2.000 Leichen im und am Ganges gefunden.
       
       „Wir haben die Lebenden nicht gerettet, jetzt werden wir die Toten nicht
       mehr zählen“, sagt die indische Journalistin Barkha Dutt, deren Vater an
       Covid-19 verstarb.
       
       Zurzeit zieht [1][die zweite Coronawelle] über das Land. Nachdem sich
       Großstädte wie Mumbai und Delhi im Lockdown-Modus langsam erholen, hat die
       neue Welle jetzt Indiens Hinterland erreicht.
       
       Fast täglich hat Indien zuletzt neue Rekorde bei den Zahlen an
       Covid-19-Infektionen aufgestellt, die erst ab Sonntag erstmals seit Langem
       wieder zurückgingen. Trotzdem bleibt die Zahl der Todesfälle mit täglich
       etwa 4.000hoch.
       
       Die Krematorien sind im Vollbetrieb. Doch manchen Familien fehlt offenbar
       Geld für eine Bestattung, bei der das Feuerholz wie auch der Priester
       bezahlt werden müssen, lauten Versuche, die zahlreichen Leichenfunde zu
       erklären. 
       
       Uttar Pradeshs Ministerpräsident Yogi Adityanath versucht jetzt mit
       Patrouillen und finanzieller Bestattungshilfe, die wilde Entsorgung der
       Leichen im Fluss zu verhindern. Gerade in ländlichen Regionen fehlt es an
       vielem – von der medizinischen Versorgung bis zur Aufklärung über Covid-19.
       Hilfsorganisationen berichten von Dörfern, in denen es viele Menschen mit
       Symptomen gibt, doch gibt es dort kaum Testlabore.
       
       ## Kritik an Modi
       
       Unterdessen wächst der Unmut in der Bevölkerung. Der hindunationalistische
       Premierminister Narendra Modi muss dieser Tage viel Kritik einstecken. Die
       Presse kritisierte ihn zuletzt wie selten: „Indiens Regierung vermisst“,
       titelte etwa das Magazin Outlook. Das Wochenmagazin India Today nannte das
       eigene Land einen „Failed State“.
       
       Mit der Kritik legen auch Zeitungen in lokalen Sprachen nach sowie die
       Karikaturisten. Modi wird zudem angekreidet, dass er in dieser Krise den
       Bau eines milliardenschweren neuen Parlamentsgebäudes vorantreibt, statt
       mehr in den [2][Gesundheitssektor] zu investieren.
       
       Doch prallen nicht alle Worte an der Regierung ab. Am Sonntag wurden
       mehrere Personen verhaftet, die mit Plakaten in der Hauptstadt Delhi
       fragten, warum Modi die Impfdosen für ihre Kinder exportiert habe. Denn
       neben Medikamenten ist in Indien auch der Impfstoff knapp geworden.
       
       Zwar wurden bisher 41 Millionen Menschen in Indien komplett geimpft und
       weitere 141 Millionen haben die erste Dosis erhalten. Doch mussten viele
       Impfzentren schließen aus Mangel an Vakzinen schließen. Jetzt kam an der
       Westküste noch eine zweitägige Zwangspause hinzu, weil dort der Zyklon
       „Tauktae“ über das Land fegte. Zahlreiche Coronapatienten mussten aus
       Feldkrankenhäusern weiter ins Landesinnere evakuiert werden.
       
       ## Lockdown-Forderung
       
       Der Leiter des staatlichen medizinischen Forschungsrats (ICMR) fordert,
       Balram Bhargava, plädiert dafür, dass besonders betroffene Regionen ihre
       Lockdowns statt bis nächster Woche oder Ende des Monats für sechs bis acht
       Wochen verlängern sollten. Denn die Lage ist weiter angespannt.
       
       Doch Sorge bereitet nicht nur die Untervariante B.1.617.2 der indischen
       „Doppelmutation“, die eine erhöhte Übertragbarkeit aufweist. Landesweit
       tauchen zudem Fälle einer seltenen, aber gefährlichen Pilzinfektion namens
       Mukormykose bei Corona-Patient:innen mit Diabetes auf. Sie führt zum
       Verlust des Sehvermögens oder gar zum Tod.
       
       18 May 2021
       
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