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       # taz.de -- Pannen-Wahl Berlin 2021: Arroganz gegenüber dem Wahlvolk
       
       > Die Berlin-Wahl 2021 wird wohl wiederholt werden. Das ist notwendig, aber
       > darf trotzdem ärgern: In der Krise gäbe es Besseres zu tun als Wahlkampf.
       
   IMG Bild: Die Qual der Wahl – am 26. September 2021 lief einiges schief
       
       Meistens hat diese spezielle Berliner laissez-faire-Haltung ja ihren Reiz.
       Diese an Arroganz grenzende Wurstigkeit, die verhindert, dass in dieser
       Stadt jemals so etwas wie eine Kehrwoche eingeführt werden könnte. Dass man
       es in dieser Stadt mit vielem nicht so genau nimmt, lässt Luft zum Atmen.
       
       Mit den [1][Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den
       Bezirksverordnetenversammlungen am 26. September 2021], mit diesen Wahlen
       hätte man es aber genau nehmen müssen. Das Landesverfassungsgericht hat am
       Mittwoch deutlich gemacht, dass eine [2][Wiederholung der kompletten
       Berlin-Wahl] wahrscheinlich ist. Die Fehler, die am Wahltag passiert sind –
       falsche Stimmzettel, gar keine Stimmzettel, zu spät eingereichte
       Stimmzettel – waren eklatant. Sie könnten sich auf Mandate ausgewirkt
       haben. Das heißt, Wahlvolkes Wille wurde möglicherweise verfälscht.
       
       Das kann einen als Teil des Wahlvolks zurecht ein bisschen [3][wütend
       zurücklassen]. Weil es tatsächlich eine Art von Arroganz ist, die sich da
       ausdrückt in der offensichtlich mangelhaften Vorbereitung dieser Wahl, die
       organisatorisch absehbar schwierig werden würde: mit dem parallel zu
       wählenden Bundestag, mit dem zeitgleich stattfindenden Großevent
       Berlin-Marathon, der die Innenstadt lahmlegte und Wahlzettel-Kurieren das
       Durchkommen erschwerte. Mit einem Volksentscheid für die Enteignung großer
       Wohnkonzerne, über den ebenfalls abgestimmt wurde.
       
       Es war nicht Laissez-faire, sondern schlicht nachlässig, die Logistik nicht
       besser zu planen und überforderte Wahlhelfende nicht besser zu schulen. Da
       drückt sich eine Respektlosigkeit gegenüber den Menschen aus, und letztlich
       gegenüber dem demokratischen Instrument der Wahl an sich.
       
       ## Frust über „die da oben“
       
       Das ist auch deshalb ärgerlich, weil diese Arroganz – ganz besonders im
       bevorstehenden Krisen-Winter – denjenigen rechten Kräften Auftrieb geben
       könnte, die Politikverdrossenheit schüren und Frust über „die da oben“ für
       ihre Agenda zu nutzen wissen.
       
       Wenn die Inflation, wie jetzt prognostiziert, die Zehn-Prozent-Marke
       knackt, wird das die gesellschaftliche Spaltung im Land vorantreiben,
       soziale Fragen werden drängender werden. Da wäre es besser, eine grün-linke
       Regierungskoalition könnte sich gemeinsam um Antworten (auch an die Adresse
       der Rechten) bemühen, und müsste sich nicht mit Wahlkampf beschäftigen.
       
       Spätestens am 28. Dezember muss das Landesverfassungsgericht endgültig
       entscheiden. Dass die Richter*innen hinter ihre Argumentation einer
       kompletten Wahlwiederholung der Pannen-Wahl zurückfallen, gilt als
       unwahrscheinlich. Am 28. März wiederum müsste dann spätestens neu gewählt
       werden in Berlin.
       
       Die Wahl 2023 wird unter anderen Vorzeichen stattfinden: Ab dem 1. Oktober
       tritt ein neuer Landeswahlleiter sein Amt an. Das wiederum soll mit
       deutlich mehr Machtbefugnissen ausgestattet sein. Bisher wurstelte jedes
       Bezirkswahlamt für sich – mit den nun bekannten Folgen.
       
       Man kann die Neuwahl eine Chance für die Demokratie nennen. Doch besser
       wäre es, man hätte die Demokratie gar nicht erst geschwächt.
       
       30 Sep 2022
       
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