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       # taz.de -- Papst Franziskus: Die neue Bescheidenheit
       
       > Kein Prunk und Protz: Der neue Papst, Franziskus I., wirkt wie ein
       > Landpfarrer. Schlicht gekleidet, kleine Wohnung und er nimmt den Bus.
       
   IMG Bild: Noch ein wenig ängstlich: Jorge Mario Bergoglio.
       
       ROM taz | Als, vor nunmehr fast acht Jahren, Joseph Ratzinger auf die
       Loggia des Petersdoms trat, soeben zum Papst gewählt, da versprach er, als
       Benedikt XVI. wolle er „ein demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn“ sein.
       Von Jorge Mario Bergoglio war, unmittelbar nach seiner Wahl, das Wort Demut
       nicht zu vernehmen – und doch bemühte er sich in jeder Sekunde, eben jene
       Demut auszustrahlen, sich als Pontifex darzustellen, der der Kirche eine
       Wende verspricht.
       
       Bergoglio hat ganz gute Karten dafür. Im Konklave 2005 war er der einzige
       ernsthafte Gegenkandidat Ratzingers. Zwar gehört auch er zum konservativen
       Mainstream der Katholischen Kirche, die mit Johannes Paul II. definitiv die
       Überhand gewonnen hatte, doch die versprengten „Progressiven“, die es 2005
       noch gab, setzten ihre Hoffnung, wenigstens Ratzinger zu verhindern, damals
       in Bergoglio. Der selbst soll einigermaßen erschrocken sein angesichts der
       Perspektive, er könne Stellvertreter Jesu werden, ja er soll seine Anhänger
       überredet haben, doch bitte nicht für ihn zu stimmen.
       
       Das fügt sich in das Bild von einem Mann, der – anders als viele andere
       seiner Kardinalskollegen – mit den oft schmucken Insignien religiöser
       Macht, mit prächtigen Gewändern und gehobenem Lebenswandel, nichts
       anzufangen weiß. Bergoglio, eines von fünf Kindern eines
       italienischstämmigen Eisenbahners und einer Hausfrau, hat den Ruf, eher
       schüchtern zu sein.
       
       ## 
       
       Als er am Mittwochabend auf die Loggia trat, gab er sein bestes, diesen Ruf
       erst einmal zu bestätigen. Fratelli e sorelle“, hob er an, „Brüder und
       Schwestern“, dann folgte eine weit ausholende, linkische Armbewegung,
       „buona sera!“ Doch seine Stimme war fest, seine Botschaft klar – und ganz
       im Zeichen der Bescheidenheit. Gewiss werde er den Segen erteilen, erklärte
       er, erst einmal aber sollten doch die Gläubigen auf dem Platz dafür beten,
       dass ihm, dem neuen Bischof von Rom, Segen zuteil werde. „Bischof und Volk,
       ein gemeinsamer Weg“, und der lebe vom Vertrauen.
       
       Wie ein Landpfarrer wirke der schlicht Gekleidete, wenn er in den Gassen
       hinter dem Petersdom unterwegs sei, erzählen die, die ihn kennen. Auch aus
       Buenos Aires wird berichtet, der Mann lebe dort in einem kleinen Apartment,
       und er nehme regelmäßig den Bus. Als er zum Kardinal ernannt wurde,
       sammelten Gläubige aus Argentinien Geld, um den Feierlichkeiten in Rom
       beizuwohnen.
       
       Bergoglio war nicht einverstanden: Er riet seinen Fans aus der Heimat, das
       Geld lieber für Arme zu spenden und zu Hause zu bleiben. Solche Zeichen
       wohl müssen seine Kardinalskollegen beeindruckt haben, die eine Wahl im
       Zeichen neuer Schlichtheit trafen. Nicht umsonst nennt der frisch gewählte
       Papst sich Franziskus – nie in der Kirchengeschichte hatte ein Vorgänger
       für den Namen des Heiligen Franz von Assisi optiert, jenes Radikalen, der
       im frühen 13. Jahrhundert für die Umkehr der Kirche im Zeichen der Armut
       stritt, allerdings in der, nicht gegen die Kirche.
       
       Konservativ, aber für eine vorsichtige Öffnung der Kirche in Sexualfragen,
       für eine Öffnung auch im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen –
       dieser Ruf eilt Bergoglio voraus. Mit seiner Wahl verspricht die Kirche,
       mit der Wahl seines Papst-Namens verspricht auch Bergoglio, eine Wende für
       den mit Vatileaks und Pädophilieskandalen schwer ins Gerede gekommenen
       Verein. Ob das Versprechen eingehalten wird, muss sich zeigen. Auch bei
       Ratzingers Wahl hatte es ja geheißen, der Mann werde die Welt überraschen –
       doch das tat er dann erst mit seinem Rücktritt.
       
       13 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
       
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       Bei Nichteinhaltung des Twitter-Verbots in der Konklave droht die
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