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       # taz.de -- Pariser Gericht rügt Klimapolitik: Erfolg für Greenpeace und Oxfam
       
       > Die Kritik ist mehr als nur symbolisch: Die französische Justiz bemängelt
       > die staatlichen Bemühungen bei der Verminderung von Treibhausemissionen.
       
   IMG Bild: Greenpeace Klimaprotest im Februar 2020 in Lyon
       
       Paris taz | Das Pariser Verwaltungsgericht hat den französischen Staat
       wegen „sträflicher Unterlassungen“ bei der Umsetzung seiner Politik zur
       Verminderung des Treibhausgasemissionen für schuldig erklärt. Die vier
       klagenden Organisationen – Notre Affaire de tous, Greenpeace, Oxfam,
       Fondation Nicolas Hulot – feierten einen „ersten historischen Sieg“. Am
       Mittwoch hatte ihnen das Gericht zwar nur den symbolischen Betrag von 1
       Euro als Genugtuung zugesprochen. Das Urteil ist aber von exemplarischer
       Bedeutung für die Klimapolitik in Frankreich.
       
       Ende Dezember hatte bereits das oberste Gericht der Niederlande aufgrund
       einer Klage von Bürger:innen die Staatsbehörden dazu verurteilt, ihre
       Anstrengungen in der Energiewende zu beschleunigen, um die Ziele im Bereich
       der Schadstoffverminderung einhalten zu können. Das Pariser Urteil schafft
       einen wichtigen Präzedenzfall für ganz Europa. Zugleich ist es auch ein
       deutliches demokratisches Signal an die Bürger:innen, dass sie mit
       Protesten und gerichtlichen Klagen nicht nur ihrer Unzufriedenheit Ausdruck
       geben, sondern auch die Behörden ihres Landes dazu veranlassen können,
       verstärkte Klimamaßnahmen zu ergreifen.
       
       Denn die nur symbolische Verurteilung könnte nur der erste Schritt sein,
       wenn der Staat wegen Untätigkeit von der Justiz für Klima- und
       Umweltschäden verantwortlich erklärt wird. Das eröffnet die Möglichkeit von
       Schadenersatzforderungen, obschon es nicht einfach sein dürfte, den
       direkten kausalen Zusammenhang zwischen Katastrophen- und Umweltschäden und
       zögerlicher Klimapolitik zu beweisen. Das Pariser Gericht hat zudem eine
       zusätzliche Untersuchung beschlossen, um innerhalb von zwei Monaten
       gegebenenfalls anzuordnen, dass die Exekutive ihre Politik zur effektiven
       Verminderung der Emissionen ändern und ergänzen muss.
       
       Die vier NGOs hatten vor zwei Jahren eine [1][Petition mit dem Titel
       „L’Affaire du siècle“], also „Sache des Jahrhunderts“, gestartet und
       innerhalb von lediglich zwei Monaten die Rekord-Unterstützung von 2,3
       Millionen Unterzeichnenden erhalten. Im März 2019 wurde daraufhin die
       Verwaltungsklage gegen den Staat wegen „sträflicher Unterlassungen“
       eingereicht. In der französischen Justizgeschichte ist diese Art einer
       Sammelklage gegen die Behörden einzigartig.
       
       In einer gemeinsamen Stellungnahme bezeichnen die französischen
       Umweltorganisationen das Urteil als „Sieg für die Wahrheit“. Denn bis dahin
       habe der Staat quasi wider besseres Wissen „trotz der akkumulierten
       Beweise“ geleugnet, dass seine Klimapolitik ungenügend ist. Bereits im Juli
       2020 hatte dies [2][der Haut Conseil pour le Climat], ein unabhängiges und
       beratendes Fachgremium, mit alarmierenden Zahlen belegt. Von 2018 bis 2019
       wurden die Kohlenstoffemissionen nur um 0,9 statt um geplante 1,5 Prozent
       reduziert. Anstatt den alten Rückstand wettzumachen, werde ein neuer
       geschaffen, warnt die Aufsichtsbehörde.
       
       Das Verdikt ist nicht zuletzt auch ein Tadel für den Staatschef Emmanuel
       Macron, der die Umsetzung der Klimaziele als eine seiner obersten
       Prioritäten erklärt und [3][ein Gremium von Bürger:innen] mit der
       Debatte und Ausarbeitung von Maßnahmen beauftragt hatte. Er hatte erklärt,
       er wolle die 149 konkreten Vorschläge des „Bürgerkonvents“ berücksichtigen.
       Das Urteil ruft ihm dieses Versprechen in Erinnerung.
       
       4 Feb 2021
       
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   DIR [1] https://laffairedusiecle.net/laffaire/
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