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       # taz.de -- Pariser Programmierschule „42“: Born to code
       
       > Die Universität „42“ gilt als neues Zentrum der digitalen Elite. Die
       > Lehrmethoden sind radikal und kostenlos – die Absolventen autonom und
       > erfolgreich.
       
   IMG Bild: „73.000 Menschen haben sich in diesem Jahr beworben. Es werden immer mehr“, sagt Direktor Nicolas Sadirac.
       
       Paris taz | Auf den ersten Blick könnte man denken, man stünde in einer
       Jugendherberge: Auf dem Boden liegen Luftmatratzen, Schlafsäcke und
       Rücksäcke herum, dazwischen Schlafende. Doch tatsächlich handelt es sich
       hier um den neuen Hotspot der digitalen Elite Frankreichs: die
       Programmierschule 42. Die Leute sind zur Aufnahmeprüfung angereist, rund
       2.500 Leute hoffen auf einen der 800 Plätze.
       
       42, diese Zahl errechnete der [1][Supercomputer] in Douglas Adams Roman
       „Per Anhalter durch die Galaxis“, auf die Frage nach dem Sinn des Lebens.
       In dieser Tradition sieht sich die Schule am Rande von Paris.
       
       Seit mehr als drei Jahren werden an der 42 kostenlos junge Erwachsene
       zwischen 18 und 30 Jahren unterrichtet – auch ohne Abitur. Damit macht sie
       den etablierten privaten Informatikschulen wie der Epitech oder Infosup
       Konkurrenz, deren Ausbildung mehr als 5.000 Euro jährlich kostet.
       
       „73.000 Menschen haben sich in diesem Jahr beworben. Es werden immer mehr“,
       sagt Direktor Nicolas Sadirac. Das sind erstaunliche Zahlen, denn außer dem
       vorauseilenden Ruf hat die Universität noch nichts Konkretes vorzuweisen.
       „Die ersten 60 unserer 2.400 Studenten sind auf dem Markt und haben Arbeit
       gefunden. Aber das sind unsere schnellsten und besten Absolventen. Klar,
       dass die nachgefragt sind“, sagt Sadirac.
       
       ## Keine Professoren, keine Stundenpläne
       
       Dass die Schule trotzdem viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, liegt auch an
       ihrem Gründer: Xavier Niel, einer der mächtigsten Männer der
       Telekommunikations- und Internetbranche Europas, wurde in Frankreich
       bekannt, weil sein Unternehmen Free die Internetpreise so weit nach unten
       drückte, bis auch Geringverdiener sich einen Netzanschluss leisten konnten.
       Seitdem wird Niel in öffentlichen Umfragen immer wieder zum beliebtesten
       Geschäftsführer des Landes gewählt.
       
       Aber auch das Lehrkonzept der Schule ist außergewöhnlich. „Wir haben keine
       Professoren und keine Stundenpläne“, erklärt David Giron, einer der fünf
       Pädagogen der Schule. „Dafür werden wir von den Universitäten misstrauisch
       beäugt – bei denen werden Informatik-Examen ja noch auf Papier
       geschrieben.“ Giron, drei Piercings in der Unterlippe, zwei in der
       Augenbraue, brauner Zopf bis über den Hintern, hat ein Diplom der
       etablierten Privatschule Epitech, an der er fünf Jahre unterrichtete. „An
       der 42 stellen wir nur Projekte online. Wir wollen, dass man hier lernt,
       allein klarzukommen.“
       
       Das Diplom von 42 ist bislang nicht staatlich anerkannt, für die Schule und
       viele Unternehmen spiele das aber keine Rolle, sagt Giron. Für die Schüler
       durchaus: Staatliche Studienunterstützung können sie deshalb nämlich nicht
       erhalten.
       
       ## Selbstsichere Typen sind gefragt
       
       Die Soziologin Tiphaine Liu schreibt ihre Doktorarbeit über 42. Dafür
       interviewte sie Schüler und Lehrer. Tatsächlich sei 42 längst vom Staat
       anerkannt, alle namhaften Politiker, auch Präsident François Hollande,
       seien schon zu Besuch gewesen, sagt Liu. „Die Werte sind klar auf die eines
       Hackers zugeschnitten. Wer dort lernt, braucht erst mal kein soziales
       Umfeld, sondern arbeitet allein vor seinem Rechner. Wenn er Hilfe braucht,
       wendet er sich zuerst an die Crowd.“ Die 42 kultiviere diese Philosophie.
       Die Schüler teilen Informationen, weil sie wissen, dass sie anderen damit
       helfen.
       
       Doch weniger selbstsichere Schüler geben bereits in den ersten Monaten auf.
       „Man muss ein sehr unabhängiger Typ sein, um hier zu überleben“, sagt
       Marius, Anfang 30 und seit letztem Jahr Student. „Es ist zwar einfach, mit
       jemandem ins Gespräch zu kommen, denn wir sind eine Community, in der alle
       Tipps geben. Lösen muss man die Probleme trotzdem allein.“ Marius hat
       bereits sein eigenes Start-Up gegründet, ein Zweimannunternehmen für
       Mobil-Apps.
       
       60 Jungunternehmen seien seit Gründung der Schule von Studenten ins Leben
       gerufen worden, sagt Direktor Sadirac, 50 davon im letzten Jahr. Der
       Selfmademan ist das Idealbild der Schule. Mit 42 soll Frankreich weltweit
       als führender Akteur in der Digitalbranche wahrgenommen werden, so Sadirac.
       Die Weichen scheinen dafür gestellt: Momentan laufen nicht nur in Paris
       Aufnahmeprüfungen, sondern auch im Silicon Valley. Dort soll ab November
       der erste 42-Campus der USA öffnen. Auch im Silicon Valley wird die Schule
       kostenlos sein und der Slogan bleibt der gleiche: Born to code.
       
       7 Aug 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=aboZctrHfK8
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klara Fröhlich
       
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