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       # taz.de -- Parteitag der Grünen: Westfälischer Friede? Eher nicht
       
       > Die Grünen wollen in Münster ihren Flügelstreit über Steuern beilegen.
       > Parteilinke forden die Vermögensteuer, Realos sind dagegen.
       
   IMG Bild: Von den Fraktionschefs Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt kommt ein Kompromissvorschlag
       
       Berlin taz | Eigentlich sind sich die Grünen ja in den allermeisten Dingen
       einig. Sie werben für Klimaschutz und die ökologische Agrarwende. Sie
       wollen Gutverdiener aus der Mittelschicht nicht mehr mit Steuererhöhungen
       belästigen, weil das im Wahlkampf 2013 schiefging. Und sie möchten sich
       2017 Bündnisse in alle Richtungen offenhalten, also weder Absagen in
       Richtung Union oder Linkspartei erteilen.
       
       Dumm nur, dass die Grünen in der Öffentlichkeit nach wie vor wie eine
       Partei wirken, die sich vor allem streitet. Über die Vermögensteuer zum
       Beispiel oder über Ansagen von Baden-Württembergs Ministerpräsident
       Winfried Kretschmann, der die CDU-Kanzlerin gut findet, ein Bündnis mit der
       Linkspartei für unrealistisch hält und die klassische Ehe lobt. Von Freitag
       bis Sonntag treffen sich die Grünen zum Bundesparteitag in Münster, 850
       Delegierte sollen über den Kurs für das Wahljahr 2017 entscheiden. Und, so
       viel ist sicher, es wird an einigen Punkten krachen.
       
       Da wäre zum Beispiel der ewige Streit in der Steuerpolitik. Anders als 2013
       wollen die Grünen auch Spitzenverdiener mit Jahreseinkommen von 100.000
       Euro oder mehr vor Steuererhöhungen schützen. Heftigen Streit gibt es aber
       über die Besteuerung von Superreichen, von Millionären oder Milliardären.
       Fast zweieinhalb Jahre lang tagte eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von
       Grünen-Chefin Simone Peter, trotzdem schaffte der Parteivorstand den
       ersehnten Friedensschluss nicht. Während sich viele Realos einen Fokus auf
       die Erbschaftsteuer wünschen, werben viele Linksgrüne für die
       Vermögensteuer.
       
       Nachdem der Vorstand einen Leitantrag für den Parteitag vorgelegt hatte,
       der beide Varianten gegeneinander stellte, trudelten diverse
       Änderungsanträge ein. Die Fraktionsspitze – die Vorsitzenden Katrin
       Göring-Eckardt und Anton Hofreiter sowie Fraktionsgeschäftsführerin Britta
       Haßelmann – schlugen einen Kompromiss vor, der beide Steuerarten enthält,
       aber hinreichend vage formuliert ist. Unter diesem Antrag haben sich
       inzwischen viele wichtige Grüne aus beiden Flügeln versammelt, zum Beispiel
       NRW-Bildungsministerin Sylvia Löhrmann, Ex-Fraktionschefin Renate Künast
       oder Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel.
       
       ## Chancen für den Kompromiss
       
       Die härteste Gegenposition kommt von wichtigen Realos aus
       Baden-Württemberg. Finanzministerin Edith Sitzmann und andere wollen die
       Vermögensteuer aus dem Grünen-Programm verbannen und werben für die Reform
       der Erbschaftsteuer. Ein Antrag der Hamburgerin Anja Hajduk wiederum
       formuliert das Ziel, Superreiche stärker an der Finanzierung des
       Gemeinwesens zu beteiligen, lässt aber offen, mit welcher Steuerart das
       passieren soll.
       
       Viele Grünen räumen dem Kompromiss der Fraktionsspitze gute Chancen ein.
       Die Situation sei unglücklich, geben Parteistrategen hinter vorgehaltener
       Hand zu – weil kurz vor dem Wahljahr erneut das Bild von Streit entstehe.
       Bundesgeschäftsführer Michael Kellner versucht, dem Wirrwarr etwas
       Positives abzugewinnen. „Wir wollen den Konflikt in der Steuerpolitik
       beenden“, sagt er. „Mir ist eine klärende Abstimmung auf dem Parteitag
       lieber als ein Dauerstreit, der sich bis in den Wahlkampf 2017 zieht.“
       
       Auch ein prominenter Gastredner sorgt für Aufregung. Am Sonntag, wenn es um
       Verkehrspolitik geht, wird Daimler-Chef Dieter Zetsche eine Rede halten.
       Der Auftritt, vom Bundesvorstand als Coup geplant, wird in Teilen der Basis
       als Provokation gesehen. Der Parteitag wird deshalb zu Beginn über einen
       Antrag abstimmen, der fordert, die Zetsche-Rede ersatzlos zu streichen –
       „mit dem Ausdruck des Bedauerns“.
       
       11 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
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