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       # taz.de -- Persönlichkeitsrechte: BGH schützt Online-Archive
       
       > Haftentlassene Straftäter haben keinen Anspruch auf Tilgung ihrer Namen
       > in elektronischen Medienarchiven. Die nachträgliche Kontrolle alter
       > Beiträge sei den Medien nicht zumutbar.
       
   IMG Bild: Die inzwischen entlassenen Mörder von Volksschauspieler Walter Sedlmayr wollen ihre Namen in den Internet-Archiven tilgen lassen.
       
       FREIBURG taz | Die Online-Archive von Rundfunkanstalten und anderen Medien
       müssen nicht nachträglich die Namen von Straftätern tilgen. Dies entschied
       am Dienstag der [1][Bundesgerichtshof] in Karlsruhe. Um die Medien nicht
       übermäßig zu belasten, müsse hier der Persönlichkeitsschutz zurückstehen.
       
       Geklagt hatten zwei Brüder, die 1993 wegen Mordes an dem beliebten
       bayrischen Schauspieler Walter Sedlmayr verurteilt wurden. Damals und auch
       später (im Zusammenhang mit einem erfolglosen Wiederaufnahmeverfahren)
       nannten viele Medien ihre vollen Namen. Inzwischen haben sie ihre Strafe
       verbüßt und verklagen reihenweise Medien, die immer noch ihre Namen nennen
       und so angeblich ihre Resozialisierung behindern.
       
       Betroffen war zum Beispiel das Deutschlandradio (DLR), das im Jahr 2000 in
       der Rubrik "Kalenderblatt" an den Sedlmayr-Mord erinnerte. Da der Beitrag
       im Online-Archiv des DLR weiter abrufbar blieb, erhoben die Brüder eine
       Unterlassungsklage. Sie wollten nicht "ewig am Pranger" stehen.
       
       Die Brüder beriefen sich dabei auf das Lebach-Urteil des
       Bundesverfassungsgerichts von 1973, das einen ZDF-Fernsehfilm über den
       "Soldatenmord von Lebach" verbot. Seitdem hat die Rechtsprechung die
       Faustformel aufgestellt: Je näher die Haftentlassung eines Täters rückt,
       umso stärker müsse sein Recht auf Anonymität beachtet werden.
       
       Beim Hamburger Landgericht und auch beim dortigen Oberlandesgericht hatten
       die beiden Brüder Erfolg. Doch der Bundesgerichtshof gab nun dem
       Radiosender Recht. Die volle Namensnennung sei im Jahr 2000 noch zulässig
       gewesen, unter anderem weil erst in diesem Jahr das von den Brüdern
       betriebene Wiederaufnahmeverfahren gescheitert war. Doch auch heute müsse
       der Sender sein Archiv nicht bereinigen. Das Schutzinteresse der Kläger
       müsse hier zurückstehen.
       
       Zur Begründung stellte der BGH unter anderem darauf ab, dass es für Medien
       einen enormen Aufwand bedeuten würde, ihre Archive immer wieder daraufhin
       zu kontrollieren, ob einst zulässige Namensnennungen inzwischen
       Persönlichkeitsrechte verletzen. Dies könnte dazu führen, dass Medien ganz
       auf Online-Archive verzichten oder dass sie sich in der Berichterstattung
       gleich so beschränken, dass eine spätere Anonymisierung nicht erforderlich
       ist.
       
       Außerdem habe die Öffentlichkeit durchaus ein Interesse,
       "zeitgeschichtliche Ereignisse" zu recherchieren, so die Richter. Durch die
       Bereithaltung alter Beiträge seien die Kläger auch nicht sehr belastet. So
       sei der hier umstrittene Artikel im DLR-Archiv nur über eine gezielte Suche
       zu finden gewesen. Ob der Text auch über eine allgemeine Google-Suche zu
       finden war, teilte der BGH nicht mit.
       
       Die Entscheidung dürfte nicht nur für die Archive von Rundfunksendern
       gelten, sondern auch für Zeitungen, Blogs und andere Medien. Mit weiteren
       Urteilen zu diesem Thema ist aber zu rechnen, da die Brüder auch im Ausland
       klagen, unter anderem gegen Wikimedia USA. Auch beim Europäischen
       Gerichtshof in Luxemburg ist noch ein Verfahren anhängig.
       
       (Az.: VI ZR 227/08 u.a.)
       
       16 Dec 2009
       
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