URI: 
       # taz.de -- Pistorius und Merz bei Brigade Litauen: Die deutsche Haubitze ist echt
       
       > Die Brigade Litauen hat ihren Dienst angetreten. Friedrich Merz sagte in
       > Vilnius erneut: Die Bundeswehr müsse zur stärksten Armee Europas werden.
       
   IMG Bild: Ein deutscher Soldat vom Wachbataillon beim Aufstellungsappell der Brigade Litauen in Vilnius. Mit dabei: Pistorius und Merz
       
       Es sei eigenartig, die deutschen Panzer hier zu sehen, sagt Andrius
       Kločìok. Der 22-Jährige studiert Geschichte in Vilnius, seine Fakultät
       liegt wenige Meter von der militärischen Leistungsschau entfernt, die
       Bundeswehr und Nato in der Altstadt aufgebaut haben. Rund um den
       historischen Kathedralenplatz der litauschen Hauptstadt stehen etwa 50
       Fahrzeuge: Kinder klettern in Panzer, ihre Eltern posieren mit deutschen
       Soldaten, ein älterer Mann klopft prüfend auf die Verkleidung einer
       Haubitze. Sie ist echt.
       
       Damit wird konkret, was Verteidigungsminister Boris Pistorius überraschend
       und gegen den Widerstand aus seiner SPD vor fast zwei Jahren angekündigt
       hatte. [1][Erstmals in ihrer Geschichte stationiert die Bundeswehr auf
       unbegrenzte Zeit eine Brigade im Ausland.] In dem Trupp, der am Donnerstag
       formell seinen Dienst antrat, sollen ab 2027 südlich und nordwestlich von
       Vilnius fast 5.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten an zwei Standorten
       beschäftigt sein. Ihre Stationierung soll der Abschreckung gegen Russlands
       Präsidenten Wladimir Putin dienen, nach der Invasion der Ukraine seine Hand
       nicht nach dem Baltikum auszustrecken.
       
       „Wir haben keine große Wahl“, sagt Student Andrius Kločìok über die
       Stationierung der Deutschen. Gerade die ältere Generation, die zu Zeiten
       der Litauischen Sowjetrepublik sozialisiert worden sei, habe große Angst
       vor Russland. Sein gleichaltriger Kommilitone, der seinen Namen nicht
       nennen will, ergänzt: „Ich würde nicht unbedingt sagen, dass die Alten den
       Deutschen mehr trauen. Ihr Hass gegenüber Russland ist nur größer.“
       
       ## Fast die Hälfte der Bevölkerung von Vilnius waren Jüdinnen und Juden
       
       Die deutsche Wehrmacht überfiel Litauen im Juni 1941, nachdem sich die
       Sowjetunion das Land bereits 1940 einverleibt hatte. Während ihrer
       dreijährigen Besatzung vernichteten die Deutschen das jüdische Leben in
       Litauen vollständig. Vilnius galt mit seiner jahrhundertealten jüdischen
       Geschichte als „Jerusalem Litauens“. Bis zum Holocaust war fast die Hälfte
       der Stadtbevölkerung Jüdinnen und Juden. Die Deutschen und ihre
       Helfershelfer ermordeten in Litauen 95 Prozent der 220.000 Jüdinnen und
       Juden.
       
       Für Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist diese Geschichte bei der
       Indienststellung der Bundeswehr-Truppe nur eine Andeutung wert. Es sei
       keine Selbstverständlichkeit, ausländische Truppen auf eigenem Boden zu
       empfangen, „vor allem nicht hier in Litauen“, sagt er gegenüber 800
       Soldatinnen und Soldaten, die zum feierlichen Appell auf den
       Kathedralen-Platz einmarschiert sind.
       
       Stattdessen wiederholt Merz einen Satz aus seiner Regierungserklärung im
       Bundestag: „Unser Ziel ist, zukünftig alle finanziellen Mittel zur
       Verfügung zu stellen, die die Bundeswehr braucht, um konventionell zur
       stärksten Armee Europas zu werden.“ Das sei dem bevölkerungsreichsten und
       wirtschaftlich stärksten Land der EU angemessen.
       
       Alleine wäre das Nato-Mitglied Litauen gegenüber einer russischen Bedrohung
       nur bedingt gewappnet. Die Streitkräfte verfügen über 18.500 Soldatinnen
       und Soldaten, aber über keine Kampfpanzer – ein Missstand, den ein Ende
       2024 geschlossener milliardenschwerer Vertrag zwischen der deutschen
       Rüstungsschmiede KNDS und dem litauischen Beschaffungsamt beheben soll.
       Merz begrüßte ausdrücklich die von Litauen bestellten 44 Leopard-Systeme
       und einen von Rheinmetall geplanten Standort in Litauen zur Herstellung von
       Artilleriemunition.
       
       ## Bestmögliche Bedingungen für die Streitkräfte
       
       Bei den nun stationierten deutschen Streitkräften handelt es sich um eine
       schwere Kampftruppenbrigade, für die unter anderem ein Panzerbataillon aus
       Nordrhein-Westfalen herangezogen wird. Bislang sind erst 400 Soldatinnen
       und Soldaten der neuen Brigade vor Ort. Für die Bundeswehr, die mit einem
       massiven Personalproblem vor allem bei Führungskräften zu kämpfen hat,
       gleicht die Aufstellung einem Kraftakt. Der Dienst in Litauen soll dennoch
       freiwillig erfolgen.
       
       Während des Appells adressierte Litauens Präsident Gitanas Nausėda die
       neuen Soldatinnen und Soldaten auch auf Deutsch: „Liebe deutsche Soldaten,
       mit offenem Herzen und aufrichtiger Dankbarkeit wende ich mich an Sie.“ Er
       kündigte bestmögliche Bedingungen für die Streitkräfte an. Es heißt, dass
       die Infrastruktur, die von der litauischen Seite finanziert wird, in der
       Tat besser als alles sei, was man in Deutschland an maroden Kasernen
       vorfinde.
       
       23 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Besuch-bei-der-Bundeswehr-in-Litauen/!5981334
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Cem-Odos Güler
       
       ## TAGS
       
   DIR Nato
   DIR Bundeswehr
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Litauen
   DIR Litauen
   DIR GNS
   DIR Litauen
   DIR Rüstungsindustrie
   DIR Bundeswehr
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Russland
   DIR Soldaten
   DIR Verteidigungspolitik
   DIR Nato
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Nach Korruptionsvorwürfen: Litauens Regierungschef tritt zurück
       
       Gintautas Paluckas ist zurückgetreten. Dem Sozialdemokraten wird Korruption
       vorgeworfen.
       
   DIR Rüstungskonzerne: Waffenfirmen im Visier des Staates
       
       Der Bund steht offenbar vor dem Einstieg beim deutsch-französischen
       Panzerbauer KNDS. Es ist nicht der erste Rüstungskonzern, bei dem der Staat
       einsteigt.
       
   DIR Bundeswehr-Werbung im American Football: Mit der Waffe aufs Feld
       
       Für den „Salute The Troops Day“ marschiert die Bundeswehr bis an die Zähne
       bewaffnet ins Stadion von Frankfurt Galaxy ein.
       
   DIR +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Offenbar heftigster Luftangriff seit Kriegsbeginn
       
       Die Ukraine meldet landesweite Lufangriffe mit mindestens 12 Toten.
       Russland meldet abgewehrte Drohnen über Moskau. Gefangenenaustausch
       abgeschlossen.
       
   DIR +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Selenskyj spricht von „harter Nacht“ und fordert weitere Sanktionen
       
       Trotz schwerer russischer Drohnen- und Raketenangriffe auf die ukrainische
       Hauptstadt Kyjiw wird der Gefangenenaustausch zwischen den beiden
       Kriegsparteien fortgesetzt.
       
   DIR Bundeswehrbrigade in Litauen: Neue Rolle, keine Debatte
       
       Künftig sollen in Litauen 5.000 Bundeswehrsoldaten stationiert werden.
       Bisher fehlt es dafür aber an allem, auch an Soldaten, die dort leben
       wollen.
       
   DIR Friedensforscherin über Investitionen: „Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
       
       An mehr Militärausgaben führe kein Weg vorbei, sagt Friedensforscherin
       Deitelhoff. Vorübergehend müsse man daher auch beim Klimaschutz sparen.
       
   DIR Besuch bei der Bundeswehr in Litauen: Der größte Nato-Fanklub der Welt
       
       Im Baltikum soll im Rahmen der „Zeitenwende“ dauerhaft eine deutsche
       Kampfeinheit stationiert werden. 800 Soldat:innen sind schon vor Ort.