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       # taz.de -- Podcast über Hitler-Tagebücher: Es knarzt und knackt in der Leitung
       
       > Der „Stern“ arbeitet in einem zehnteiligen Podcast seinen größten Fehler
       > auf: die Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher.
       
   IMG Bild: Stern-Reporter Gerd Heidemann 1983 bei der Präsentation der Hitler-Tagebücher
       
       Freitag, der 13. Februar 1981, hätte Gerd Heidemanns Glückstag sein sollen.
       Freitage, die 13., waren bisher immer seine Glückstage. Es waren Tage, die
       Heidemann seinen Namen als Starreporter des Stern eingebracht haben – so
       erzählt er es zumindest in dem Podcast „Faking Hitler“, dessen erste Folge
       der Stern am Donnerstag veröffentlicht hat.
       
       Der Tag wird eben kein Glückstag, sondern der Beginn eines der größten
       Presseskandale der deutschen Geschichte. Heidemann trifft an diesem Tag am
       Stuttgarter Flughafen den Kunstfälscher Konrad Kujau, der ihm die angeblich
       echten Tagebücher von Adolf Hitler übergibt. Gut zwei Jahre später, Ende
       April 1983, titelt das Magazin: „Hitlers Tagebücher entdeckt“. Der Verlag
       hat insgesamt rund 9 Millionen Mark für die Bücher ausgegeben – und ist auf
       einen Fälscher hereingefallen. Die Hitler-Tagebücher, wird sich kurz nach
       der Veröffentlichung herausstellen, sind gefälscht.
       
       Der Stern hat diese Geschichte nun in einem zehnteiligen Podcast
       aufgearbeitet. Die erste Folge ist seit Donnerstag [1][auf der Webseite des
       Stern] und bei den üblichen Podcast- und Streaminganbietern zu hören. In
       den kommenden neun Wochen soll jeden Donnerstag eine Folge erscheinen.
       
       Die erste dokumentiert, wie sich Heidemann und Kujau, der sich damals
       Fischer nennt, annähern und die Übergabe der Bücher planen. Heidemann hat
       die Telefonate mit Kujau mitgeschnitten. Es knarzt und knackt in der alten
       Leitung, wenn Kujau immer neue Ausreden findet, warum er die Bücher noch
       nicht übergeben könne.
       
       ## Gerd Heidemann blickt zurück
       
       Schließlich liefert Kujau die Bücher. „Ein komisches Gefühl, wenn man die
       Geschichte in der Hand hält“, kommentiert Gerd Heidemann das in der
       Rückschau. Die Podcast-Macher haben ihn für ihre Produktion noch einmal
       getroffen. Konrad Kujau ist tot, er taucht im Podcast nur in den alten
       Mitschnitten auf.
       
       Der Stern-Autor Malte Herwig hat mit der Chefin des Video- und
       Audiobereichs des Stern, Isa von Heyl, mehr als ein Jahr lang recherchiert,
       hat Zeitzeugen, Wissenschaftler und Antiquitätenhändler befragt. Ergänzt
       werden deren Einschätzungen mit Zitaten aus den „Tagebüchern“, die mit dem
       heutigen Wissen um die Fälschung skurril klingen. Aber hinterher ist man ja
       immer schlauer: Mit dem heutigen Wissen um die Fälschungen des Claas
       Relotius’ [2][lesen sich auch dessen Reportagen wie aus einem Märchenbuch].
       
       Man muss den Namen hier erwähnen, denn dass der Relotius-Skandal und der
       Stern-Podcast kurz hintereinander publik werden, ist zwar Zufall, wirft
       aber auch auf die Tagebuch-Fälschungen ein anderes Licht. Viele Medien
       setzen sich zurzeit öffentlich mit ihren Fehlern auseinander. Der Stern tut
       das mit dem Podcast, der Spiegel [3][mit dem Versuch der größtmöglichen
       Transparenz bei der Relotius-Aufarbeitung] – und auch schon vorher: Im
       Oktober berichtete die damalige stellvertretende Spiegel-Chefredakteurin
       Susanne Beyer in einem langen Text über [4][die sexistischen Übergriffe von
       Rudolf Augstein zu alten Spiegel-Zeiten]. [5][Auch die taz arbeitete 2016
       die Keylogger-Affäre auf, in der ein ehemaliger Redakteur KollegInnen
       ausspioniert hat].
       
       Wenn aus den Recherchen dann auch noch ein spannender Hörkrimi wird, wie
       bei den Hitler-Fakes des Stern – umso besser.
       
       11 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.stern.de/faking-hitler/faking-hitler--die-entdeckung-der-tagebuecher-8470794.html
   DIR [2] /Der-Fall-Claas-Relotius-und-Journalismus/!5557396
   DIR [3] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/der-fall-claas-relotius-hier-finden-sie-alle-artikel-im-ueberblick-a-1245066.html
   DIR [4] http://www.spiegel.de/plus/wir-muessen-ueber-augstein-reden-a-00000000-0002-0001-0000-000159826641
   DIR [5] /Keylogger-Affaere-in-der-taz/!5307828
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Fromm
       
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