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       # taz.de -- Politikwissenschaftler über Rechtsruck: „Man kann von Österreich lernen, wie es nicht geht“
       
       > In Österreich habe der Rechtsruck der ÖVP die FPÖ stark gemacht, sagt
       > Benjamin Opratko. Die CDU von Friedrich Merz sieht er auf dem gleichen
       > Weg.
       
   IMG Bild: Profitieren vom Rechtsruck der ÖVP: die FPÖ-Politiker Mario Kunasek (links) und Herbert Kickl bei einer Wahlparty im November 2024
       
       taz: Herr Opratko, die extrem rechte FPÖ unter Herbert Kickl ist bei der
       Wahl in Österreich im September 2024 zum ersten Mal stärkste Kraft
       geworden. Regieren tut sie trotzdem nicht, die [1][Koalitionsverhandlungen
       mit der konservativen ÖVP] sind gescheitert. Zeit, aufzuatmen? 
       
       Benjamin Opratko: Es ist erst mal gut für weite Teile des Landes, weil es
       Österreich so eine Art Verschnaufpause gönnt. Viele Menschen aus der
       Zivilgesellschaft und solche, die als Migrant:innen nach Österreich
       gekommen sind, haben große Sorgen vor einer Kickl-Regierung gehabt. Da
       spürt man jetzt Erleichterung.
       
       taz: Stattdessen regiert jetzt [2][eine Koalition aus konservativer ÖVP,
       Sozialdemokraten und Liberalen]. 
       
       Opratko: Die von nicht viel mehr zusammengehalten wird als dem Wunsch, die
       FPÖ nicht in die Regierung zu lassen. Es gibt wenig inhaltliche
       Überschneidung.
       
       taz: Kann die FPÖ davon profitieren? 
       
       Opratko: Durchaus möglich. Kickls Wette ist, dass er in der Opposition die
       FPÖ noch stärker macht. Es gibt aber auch innerhalb der Partei kritische
       Stimmen, die sich beschweren, dass eine historische Chance liegen gelassen
       wurde: [3][Die erste FPÖ-geführte Kanzlerschaft.]
       
       taz: Die FPÖ hat noch nie eine:n Kanzler:in gestellt, war aber seit den
       1980ern schon drei mal an einer Regierung beteiligt. 
       
       Opratko: Die Regierungsbeteiligungen haben eigentlich immer in internen
       Konflikten geendet. In Erinnerung geblieben ist der Ibiza-Skandal 2019,
       über den der damalige FPÖ-Chef Hans-Christian Strache gestolpert ist und
       der zum Bruch der Koalition aus ÖVP und FPÖ führte.
       
       taz: Ist also doch was dran am „Entzauberungs-Argument“, man könne extrem
       rechte Parteien schwächen, indem man sie regieren lässt? 
       
       Opratko: Sie in die Regierung zu holen ist sicher nicht der richtige Weg,
       sie klein zu halten. Im Fall der FPÖ war der Schaden für die Partei nach
       einer Regierungsbeteiligung immer nur kurzfristig. Sie ist jedes Mal
       stärker zurückgekommen. Außerdem verfolgt der jetzige FPÖ-Chef Herbert
       Kickl ein [4][Programm des autoritären Umbaus] von Staat und Gesellschaft.
       Um das umzusetzen, braucht er Machtpositionen in der Regierung. Das hat bei
       diesen Koalitionsverhandlungen nicht geklappt. Ich glaube, dass Kickl mit
       der Entscheidung, in die Opposition zu gehen, einem strategischen Kalkül
       gefolgt ist, das durchaus aufgehen kann.
       
       taz: In Deutschland ist die extrem rechte AfD nach der Bundestagswahl
       zweitstärkste Kraft. Noch schließen alle Parteien eine Koalition mit ihr
       aus. Könnte es nach der nächsten Wahl ähnlich aussehen wie in Österreich? 
       
       Opratko: Der Unterschied zwischen den Ländern ist, dass es in Österreich
       seit Beginn der zweiten Republik in den 1940er Jahren immer eine
       parlamentarische Repräsentation der extremen Rechten auf Bundesebene
       gegeben hat. In Deutschland gab es zwar rechtsextreme Parteien, aber nie im
       Bundestag. Es hat relativ lange gedauert, bis sich eine Partei wie die AfD
       etablieren konnte. Aber die Möglichkeit einer rechtsextremen
       Regierungsbeteiligung in Deutschland einfach auszuschließen und zu sagen:
       „bei uns kann das nicht passieren“, das höre ich seit Jahren, das macht
       mich wahnsinnig. Es ist falsch und verstellt den Blick darauf, dass der
       Aufstieg der extremen Rechten ein globales Phänomen ist.
       
       taz: Lässt sich aus dem Blick nach Österreich etwas über den Umgang mit der
       [5][AfD] in Deutschland lernen? 
       
       Opratko: Man kann lernen, wie es nicht geht. Die Stärke der FPÖ gäbe es
       heute nicht ohne den Rechtsruck der konservativen ÖVP unter Sebastian Kurz.
       Die Konservativen haben Inhalte der Rechtsextremen übernommen und sie
       legitimiert. Das hat es mittelfristig vielen Menschen leichter gemacht, die
       FPÖ zu wählen. Als ich mir die Wahlkampf-Auftritte von Friedrich Merz
       angeschaut habe, kam mir das alles sehr bekannt vor. Inhaltlich hat Merz
       schon alles vorbereitet. Es gibt nicht mehr viele Gründe, warum die CDU
       sich nicht der AfD gegenüber öffnen sollte.
       
       25 Mar 2025
       
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