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       # taz.de -- Politische Bildung an Schulen: Es braucht mehr als Youthwashing
       
       > Nach dem starken Zulauf zur AfD bei der Europawahl stellt sich auch die
       > Frage: Haben die Schulen bei der politischen Bildung alles richtig
       > gemacht?
       
   IMG Bild: Schüler:innen haben meist mehr digitale Kompetenz als ihrer Lehrer:innen. Das muss sich ändern
       
       Die Wahlnachlese beschäftigt nicht nur die Parteien und die Ampelregierung
       in Berlin. Auch die Bildungsminister:innen der Länder fragen sich,
       warum so viele junge Wähler:innen [1][bei der Europawahl am vergangenen
       Sonntag – 16 Prozent – die AfD] gewählt haben. Ab Donnerstag haben sie die
       Gelegenheit zum Austausch: Im Saarland beginnt die 386.
       Kultusministerkonferenz (KMK). Auf der Tagesordnung stehen Themen wie
       „Gestaltung von zusätzlichen Wegen ins Lehramt“ oder „Stand zum Digitalpakt
       2.0“. Angesichts der Wahlergebnisse sehen die Bildungsminister:innen
       aber auch bei der Demokratiebildung Handlungsbedarf.
       
       „Der vergangene Sonntag hat erneut gezeigt: Die Demokratie in Europa steht
       unter Druck“, sagte am Mittwoch die rheinland-pfälzische Bildungsministerin
       und Koordinatorin der SPD-geführten Länder in der KMK, Stefanie Hubig, der
       taz. Dass extreme, zum Teil gegen die Demokratie agitierende Parteien auf
       dem ganzen Kontinent großen Zulauf erhielten, müsse alle aufschrecken. Als
       „bedenklich“ bezeichnete Hubig, dass dieses Gedankengut offensichtlich
       gerade bei vielen jungen Wähler:innen ankomme. Das sei „ein klarer
       Auftrag an uns und unsere Schulen, im Kampf für demokratische Werte und
       Freiheit nicht nachzulassen“.
       
       Tatsächlich haben einige Bundesländer – darunter Berlin, Brandenburg,
       Sachsen und Rheinland-Pfalz – in den vergangenen Jahren die politische
       Bildung an Schulen ausgebaut und beispielsweise die Stundenzahl für
       Politik/Sozialkunde erhöht, verbindliche Demokratietage oder mehr Zeit für
       Projektarbeit eingeführt.
       
       Entsprechend ratlos sind die Ministerien derzeit. „Wir haben in den
       vergangenen Jahren sehr viel getan“, teilt etwa ein Sprecher aus dem
       sächsischen Kultusministerium auf Anfrage mit. „Aber immer, wenn etwas
       schiefläuft, wird mit den Fingern auf die Schule gezeigt.“ Auch die
       Familien trügen eine Verantwortung für die Demokratie. Ähnlich hatte sich
       [2][vergangene Woche auch Lehrerverbandschef Stefan Düll] geäußert.
       
       ## Weit von echter Mitsprache entfernt
       
       Aus Sicht der Bundesschülerkonferenz ist es mit ein bisschen mehr
       Politikunterricht aber ohnehin nicht getan. „Wir Jugendliche wünschen uns,
       generell mit unseren Anliegen stärker gehört zu werden und bei
       Entscheidungen über uns eingebunden zu werden“, sagt Generalsekretärin
       Louisa Basner der taz. Das gelte sowohl für die Politik als auch die
       Schule. „In beiden Bereichen sind wir weit von echter Mitsprache und
       Partizipation entfernt.“
       
       Dass die Bundesschülerkonferenz zwar von Spitzenpolitiker:innen zum
       Gespräch eingeladen werde, aber in Wahrheit nichts mitentscheiden dürfe,
       bezeichnet die 18-Jährige als „Youthwashing“: also die bloße Simulation von
       Mitbestimmung.
       
       Das fehlende Gehör für junge Menschen kritisiert auch die Publizistin
       Marina Weisband, die auch Grünen-Mitglied ist. So gingen die Parteien nicht
       genügend auf die Abstiegsängste der Jugendlichen ein. Nur die AfD setze
       „als einzige Partei“ auf das Thema soziale Ungleichheit, sagte Weisband
       diese Woche im Deutschlandfunk. „Das übrige Parteienspektrum macht für
       diese Realität keine Angebote.“
       
       Auch die Berliner Politikwissenschaftlerin Sabine Achour sieht Schulen und
       Politik in der Pflicht, stärker auf junge Menschen einzugehen. „Wir wissen,
       dass diese Gruppe ihre Informationen auch viel auf Tiktok und anderen
       Kanälen rezipiert und dort politisiert wird“, [3][sagte Achour im
       taz-Interview]. Daher müsse die Gesellschaft diese Zielgruppe früh
       ansprechen. Sonst bestehe die Gefahr, Jugendliche an zweifelhafte
       Politikangebote zu verlieren.
       
       13 Jun 2024
       
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