URI: 
       # taz.de -- Polizeigewalt auf Palästina-Demos: Die Gesellschaft schaut weg
       
       > Der propalästinensische Protest in Berlin ist durchaus laut. Arg leise
       > bleibt es gesellschaftlich zur Polizeigewalt bei diesen Demonstrationen.
       
   IMG Bild: Propalästinensische Demonstrationen gibt es viele in Berlin. Hier eine vom 27. Mai
       
       Fast niemand schaut noch hin, wenn in Berlin gegen den [1][Krieg in Gaza]
       protestiert wird. Umso überraschender ist, dass es nach der jüngsten
       propalästinensischen Demonstration vergangene Woche nicht nur Empörung über
       Ausschreitungen und „Hamas“-Rufe gibt, sondern [2][auch über heftige
       Polizeigewalt].
       
       Der Auslöser sind Videos, die während und nach der vorzeitig beendeten Demo
       aufgenommen wurden. Sie zeigen etwa, wie ein Polizist eine Frau
       [3][unvermittelt von hinten zu Boden stößt], wie ein anderer Beamter einem
       am Boden fixierten Jugendlichen [4][mehrere Faustschläge in die Seite]
       verpasst oder wie ein weiterer Polizist eine kniende Person [5][würgt und
       anherrscht], sie solle „aufhören zu schauspielern“.
       
       Dass linke und nicht staatstragende Demos von [6][Polizeigewalt] betroffen
       sind – das ist nichts Neues. Neu ist aber die Gleichgültigkeit, mit der das
       Woche für Woche in Berlin aufgenommen wird.
       
       Beinahe jeden Samstag zieht ein propalästinensischer Protestmarsch durch
       einen anderen Bezirk Berlins. Und fast jedes Mal geht die Polizei rein und
       nimmt gewaltsam Leute fest. Videos von den Zugriffen kursieren im Netz, die
       Betroffenen werden [7][in Rugby-Manier umgetackelt], kassieren
       [8][Kopfnüsse mit Polizeihelmen], Tritte, [9][Schläge].
       
       ## Teilnahmsloses Schulterzucken
       
       Doch die Öffentlichkeit, und da ist das linke Spektrum mitgemeint,
       quittiert diese Dokumente von staatlicher Gewalt – die sich oft auch noch
       gegen eine von Rassismus betroffene Minderheit richtet – mit einem
       teilnahmslosen Schulterzucken. Es folgt der reflexhafte Fingerzeig auf
       fragwürdige bis strafbare Zwischenfälle bei diesen Demos nach dem Motto:
       Selbst schuld, die haben es provoziert und deshalb nicht anders verdient.
       Statt den Opfern von Polizeigewalt Solidarität und Empathie
       entgegenzubringen, werden sie unter Generalverdacht gestellt, pauschal
       diffamiert und kriminalisiert.
       
       Oft heißt es dann noch, die Clips seien „aus dem Kontext gerissen“. Aber
       die abgebildeten Szenen haben mit legitimer Strafverfolgung nichts zu tun.
       Es sind spontane und brutale Attacken. Auch ohne zu wissen, was davor
       passiert ist, ist es ein Skandal, wenn arglose oder bereits fixierte
       Personen zusammengeschlagen werden.
       
       Polizeigewalt gedeiht dort am besten, wo Medien, Politiker*innen und
       der Rest der Gesellschaft wegschauen. Und [10][genau das passiert seit
       Monaten]. Fast nie begleiten Abgeordnete als parlamentarische
       Beobachter*innen die Demos. Lokale und überregionale Medien schicken
       nur noch selten Reporter*innen. Wenige bis keine professionelle
       Pressefotograf*innen dokumentieren die Demos. Und so sind es am Ende
       oft tendenziöse Videos eines Bild-Reporters, die die öffentliche
       Wahrnehmung prägen, gemeinsam mit Nachrichtenagenturen, die
       Polizeimeldungen abschreiben.
       
       Diese Ignoranz führt zur Normalisierung und Verharmlosung staatlicher
       Gewalt – und in der Folge zu erneuten und womöglich noch hemmungsloseren
       Exzessen. Es sind die Aktivist*innen selbst, die inzwischen mit eigenen
       Doku-Teams die Übergriffe der Polizei auf den Demos festhalten. Ohne diese
       Arbeit wären auch die gewalttätigen Festnahmen vergangene Woche wohl
       unbeachtet geblieben. Auf deren Basis läuft nun auch ein
       Ermittlungsverfahren gegen einen Polizisten – mit mäßigen Aussichten auf
       Erfolg, wie die Erfahrung lehrt.
       
       Trotzdem ist es ein beachtliches Ergebnis. Es zeigt: Wenn hingeschaut,
       berichtet und kritisiert wird, kann die Polizei nicht einfach machen, was
       sie will. Dass diese Aufgabe momentan den Betroffenen selbst überlassen
       wird, ist ein Armutszeugnis. Umso mehr muss ihren Erfahrungsberichten Gehör
       und Glauben geschenkt werden.
       
       25 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwerpunkt-Nahost-Konflikt/!t5007999
   DIR [2] /Palaestina-Demo-in-Berlin/!6028273
   DIR [3] https://x.com/derJamesJackson/status/1825464780309532848
   DIR [4] https://x.com/hahauenstein/status/1825100328515015079
   DIR [5] https://x.com/hahauenstein/status/1825086621827383429
   DIR [6] /Schwerpunkt-Polizeigewalt-und-Rassismus/!t5008089
   DIR [7] https://x.com/hahauenstein/status/1825068409207271640
   DIR [8] https://x.com/S_Ibrahimkhil/status/1812187414481580036
   DIR [9] https://x.com/SDGMasterglass/status/1795610343068348685
   DIR [10] https://www.amnesty.ie/attacks-on-peaceful-protest-across-europe/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanno Fleckenstein
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Stadtland
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR Polizei Berlin
   DIR Palästina
   DIR Polizeigewalt
   DIR wochentaz
   DIR GNS
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR Studentenproteste
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Sprachverbote auf Palästina-Demos: Deeskalation sieht anders aus
       
       Im Umgang mit Palästina-Demos haben die Berliner Behörden jedes Maß
       verloren. Sprachverbote sorgen nicht für eine Befriedung der Lage – im
       Gegenteil.
       
   DIR Demos mit Nahost-Bezug in Berlin: Videos von rennenden Polizisten
       
       Bei einer Demo setzt die Polizei ein Kind fest. Der Senat sollte solche
       Vorkommnisse mehr auswerten um Eskalationen zu verhindern, fordern die
       Grünen.
       
   DIR Palästina-Demo in Berlin: Kritik an Polizeigewalt
       
       Videos zeigen brutale Festnahmen bei einer Palästina-Demo in Berlin. Seit
       Monaten verzeichnet eine Beratungsstelle viele Anfragen wegen
       Polizeigewalt.
       
   DIR Hajo Funke über Proteste an den Unis: „Autoritäre Tendenz wird stärker“
       
       Die propalästinensischen Proteste an Universitäten dürfen nicht pauschal
       als antisemitisch bezeichnet werden, sagt Politikwissenschaftler Hajo
       Funke.
       
   DIR Auflösung von Palästina-Kongress: Gewaltenteilung in Gefahr
       
       Der Senat räumt ein, dass der „Palästina-Kongress“ im April hastig beendet
       wurde. Auch die Räumung der HU-Besetzung war laut Jurist fragwürdig.