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       # taz.de -- Polizeigewalt in Belarus: Vor Festnahme bewahrt
       
       > Gibt es ein Recht der Sicherheitskräfte, auf Menschen zu schießen? Janka
       > Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 11.
       
   IMG Bild: Polizisten der Spezialeinheit Omon im Einsatz am 19. September in Minsk
       
       Die Geschichte selbst kommt von meiner Freundin. Sie lebt in Minsk direkt
       an der U-Bahn-Station „Puschkinskaja“. Also dort, wo am 10. August bei
       einer Aktion [1][Alexander Tarajkowskij] erschossen worden ist.
       Tarajkowskij wurde das erste Opfer der Willkür der Miliz, die sich über das
       Land gelegt hat.
       
       An der Stelle, an der Alexander erschossen worden ist, hat man ein
       improvisiertes Denkmal aufgebaut. Immer wieder hat die Miliz es abgeräumt
       und immer wieder haben Bewohner unserer Stadt das Denkmal erneut aufgebaut.
       
       Nicht weit weg von dieser Stelle ist ein Supermarkt. An einem Sonntag Abend
       – sonntags finden bei uns ja immer [2][die großen Demonstrationen] statt –
       hatte sich meine Freundin auf den Weg zum Supermarkt gemacht, sie wollte
       noch ein paar Lebensmittel einkaufen.
       
       Plötzlich der Schrei einer Frau. Dann sah sie sie. Sie war ganz weiß im
       Gesicht. OMON-Polizisten wollten sie gerade abführen und in einen
       Polizeiwagen zerren. Doch beherzt war ein junger Mann eingeschritten, hatte
       die Milizionäre weg geschubst und ging statt ihrer mit den Milizionären
       mit. So rettete er sie vor der Festnahme. Die junge Frau hatte den Mann
       nicht einmal nach seinem Namen fragen können. Und sie konnte sich auch an
       sein Gesicht nicht mehr erinnern, weinte nur hysterisch.
       
       Wieder kam ein Mann auf sie zu. Er war in einem schwarzen Kampfanzug, hatte
       einen Helm auf – und umarmte sie wortlos.
       
       Die Leute im Supermarkt konnte es nicht fassen, sie hielten den Mann in
       Schwarz für einen OMON-Polizisten. Aber er war nur ein Motorradfahrer. Er
       drückte die Frau an sich, strich ihr über das Haar und beruhigte sie. Und
       dann blickte sie ihm in die Augen, sah, dass er auch weinte.
       
       Da ging meine Freundin wieder aus dem Supermarkt und wählte eine, wie es
       ihr schien, sichere Seitenstraße. Doch die war gar nicht sicher. Dort
       standen Gefangenentransporter, drinnen waren OMON-Polizisten. Und an der
       Wand standen Menschen. Ein schreckliches Bild, als wollte man die Personen
       an der Wand im nächsten Augenblick erschießen.
       
       Wieder ging meine Freundin in den Supermarkt. Zehn Minuten später heulten
       Motoren auf, der Transporter war verschwunden. Und die Menschen, die eben
       noch an der Wand gestanden hatten, gingen weiter ihres Weges, Kinder kamen
       wieder und spielten auf der Straße, als ob nichts gewesen wäre.
       
       Ich weiß nicht, was mir an dieser Geschichte mehr Angst macht, die völlige
       Rechtlosigkeit und wie die Sicherheitskräfte gegen Menschen vorgehen, oder
       die Reaktion der Betroffenen, die sich schon nicht einmal mehr darüber
       wundern.
       
       Aus dem Russischen Bernhard Clasen
       
       22 Sep 2020
       
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