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       # taz.de -- Polizeigewalt in den USA: Wie erlegtes Wild am Boden
       
       > Ein weißer Polizist erschießt einen schwarzen Mann. Dank eines Videos
       > wird der kaltblütige Hergang klar. Der Polizist wird wegen Mordes
       > angeklagt.
       
   IMG Bild: Nach den tödlichen Schüssen des Polizisten protestieren Einwohner von North Charleston.
       
       NEW YORK taz | Ohne das Video wäre es bei dieser lakonischen
       Pressemitteilung der Polizeistation von South Carolina geblieben. Darin
       hatte es am Samstag geheißen: Der Polizist Michael Slager „fühlte sich
       bedroht, griff nach seiner Dienstwaffe und feuerte sie ab“. Der Tod von
       Walter Scott auf einem Rasenstück neben der Craig Street in der Stadt North
       Charleston hätte nie zu einem Prozess geführt. Das Opfer wäre vergessen
       worden, wie Hunderte andere schwarze Männer in den USA in jedem Jahr. Der
       weiße Polizist hätte seine Karriere in Uniform unbehelligt fortsetzen
       können.
       
       [1][Aber es gibt dieses Video], das am Dienstag von der New York Times
       veröffentlicht wurde. Ein bisher unbekannter Held im Alltag hatte im
       richtigen Moment sein Handy gezückt und weiter gefilmt, obwohl er sich
       damit selbst in Gefahr begab. Deshalb verläuft dieses Mal alles auf
       spektakuläre Art anders. Der Polizist wurde inhaftiert und angeklagt. Wegen
       Mordes.
       
       Das Video enthüllt eine Kaltblütigkeit, eine Brutalität und eine
       Verlogenheit in seinem Vorgehen, die in dieser konzentrierten Form selten
       öffentlich sichtbar sind. Es zeigt wie der Polizist acht Schüsse aus rund
       fünf Metern Entfernung in den Rücken von Walter Scott abfeuert. Der
       50-jährige sackt zusammen. Fällt mit dem Gesicht nach unten auf den Rasen.
       
       Der Polizist geht nah an ihn heran und brüllt, er solle seine Arme auf den
       Rücken legen. Dann nimmt der Polizist die Hände des Sterbenden – oder
       bereits Toten – und fesselt sie auf dessen Rücken. Einen Moment später
       nimmt er etwas, das wie ein Taser – eine Elektropistole – aussieht, und
       lässt es direkt neben seinem Opfer ins Gras fallen.
       
       Weder der Todesschütze, noch ein Kollege in Uniform, der nach wenigen
       Sekunden hinzukommt, versuchen Walter Scott zu helfen. Es gibt keine
       Herz-Lungen-Massage, kein Versuch, Blutungen zu stillen, kein Wort. Walter
       Scott liegt wie ein erlegtes Wild am Boden.
       
       ## Unbewaffnet und unbescholten
       
       Der Polizist hatte den Wagen des 50-jährigen Afroamerikaners am Samstag um
       9.30 Uhr wegen eines defekten Bremslichtes angehalten. Warum Scott
       weglaufen wollte, ist unklar. Fest steht, dass er unbewaffnet war. Und dass
       er ein unbescholten war. Abgesehen von dem Kindesunterhalt, den er
       schuldete.
       
       Der 33-jährige Todesschütze log nach Strich und Faden. Er behauptete, Scott
       habe ihm seinen Taser weg genommen. Er behauptet, er habe „Angst“ vor Scott
       gehabt. Er behauptete, er habe dem am Boden Liegenden Erste Hilfe
       geleistet. Die Polizeibehörde in Charleston machte sich jedes Detail zu
       Eigen.
       
       Das ist der normale Verlauf nach tödlichen Polizeischüssen in den USA. Eine
       gut organisierte und in Kommunikation geschulte Hierarchie stellt sich
       geschlossen hinter ihre Leute in Uniform. Auf der anderen Seite stehen
       trauernde Angehörige, denen jede Information fehlt und die sich inmitten
       der schwersten Krise ihres Lebens in der Regel auch noch verpflichtet
       fühlen, zur Ruhe aufzurufen.
       
       Die Familie von Walter Scott macht da keine Ausnahme. Am Sonntag versammelt
       sie sich in einer kleinen Zeremonie mit einem Priester, einem
       Bürgerrechtler und weinenden Angehörigen an der Stelle, wo Scott gestorben
       ist. Jemand aus der Gruppe sagt, dass Charleston nicht Ferguson sei. Es ist
       ein Versuch, wütende Reaktionen auf die zu dem Zeitpunkt noch ungeklärten
       Todesschüsse zu vermeiden.
       
       ## „Der eine schlechte Polizist“
       
       Der Erschossene war in einem guten Moment seines Lebens. Vor ein paar
       Monaten hatte er eine neue Arbeit gefunden, er hatte kürzlich ein Auto
       gekauft und um die Hand seiner Freundin angehalten. Warum er bei der
       Verkehrskontrolle vor dem Polizisten weglaufen wollte, ist bislang
       unbekannt. Der ältere Bruder des Toten, Anthony Scott, vermutet, dass
       dahinter Angst vor Entdeckung der nicht gezahlten Alimente stecken könnte.
       Noch bevor klar war, dass – und wie sehr – der Polizist gelogen hat, fragte
       der Bruder, warum der Polizist den unbewaffneten Mann, dessen Daten bereits
       erfasst worden waren, nicht einfach laufen ließ.
       
       Nach Bekanntwerden des Videos tritt der – weiße – Bürgermeister von
       Charleston vor die Kameras und hält es für angemessen dies zu sagen: „Wir
       haben 343 Polizisten in unserer Abteilung. Dies ist der eine schlechte“.
       Der – ebenfalls weiße – Polizeichef Eddie Drigers – sieht verstört aus und
       braucht eine Weile, bevor er diese Worte herausbringt: „Es ist ein
       tragischer Tag für viele gewesen“.
       
       In die Zukunft gerichtete, ruhige Worte komme hingegen von der Familie.
       Scotts älterer Bruder sagt: „Nicht alle Polizisten sind schlecht. Aber es
       gibt schlechte. Und wir verlangen eine vollständige Aufklärung“.
       
       8 Apr 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.nytimes.com/video/us/100000003615939/video-shows-fatal-police-shooting.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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