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       # taz.de -- Polizeikontrollen in Hamburg-St. Pauli: Neuer Anlauf gegen Racial Profiling
       
       > Aktivist:innen und Betroffene sehen eine wachsende Zahl rassistischer
       > und gewaltsamer Polizeikontrollen im Viertel südlich der Reeperbahn.
       
   IMG Bild: Macht Betroffenen im Viertel seit Jahren Angst: Polizei in der Hafenstraße auf der Suche nach Drogen, hier im Jahr 2023
       
       Hamburg taz | Ein neues Phänomen ist es nicht, was Aktivist:innen und
       Betroffene aus St. Pauli am Donnerstag bei der Vorstellung einer
       gemeinsamen Erklärung beklagen: Seit 2016 ist das Viertel von der Hamburger
       Polizei als „gefährlicher Ort“ deklariert, eine eigens eingerichtete
       „Taskforce Drogen“ soll die „öffentlich wahrnehmbare Drogenkriminalität“
       dort eindämmen. Seitdem sorgt die ständige Polizeipräsenz für Angst und
       Verunsicherung bei Anwohner:innen.
       
       Und doch: Die dabei angewendete Gewalt durch Polizist:innen, vornehmlich
       gegen Schwarze Menschen, nehme seit einigen Monaten deutlich spürbar zu.
       „Das Problem wird drängender“, sagt Steffen Jörg vom Verein
       Gemeinwesenarbeit St. Pauli (GWA). „Im Jahr 2024 kam es mindestens zweimal
       zu Einsätzen, bei denen mit gezogener Dienstwaffe Personen unserer
       Nachbarschaft durch Polizeibeamt:innen bedroht wurden.“
       
       Auch Asmara Habtezion, Gründerin des Vereins Asmaras World, in dem sich
       Black, Indigenous und People of Color (BIPoC) selbst organisieren, spricht
       von der wachsenden Angst, nicht nur häufiger, sondern auch eskalativer von
       der Polizei ohne Anlass kontrolliert zu werden.
       
       Um auf diesen Negativtrend hinzuweisen, haben sich nun rund 60
       Stadtteilakteure – von sozialen Initiativen über Clubs und Restaurants bis
       hin zu Rechtsanwaltskanzleien – in der Kampagne „St. Pauli für alle! – ohne
       Diskriminierung, Vertreibung und Polizeigewalt“ zusammengeschlossen, um ein
       Ende der überdurchschnittlich hohen Polizeipräsenz zu fordern: „Wir wollen
       verhindern, dass es hier in St. Pauli Tote durch Polizeigewalt gibt.“
       
       ## Taske Force Drogen seit 2016 im Einsatz
       
       So sei etwa im vergangenen August eine Schwarze Person [1][von
       Zivilbeamt:innen zu Boden gebracht und fixiert worden.] Als
       Nachbar:innen wegen deren Schreie hinzukamen, soll ein Beamter in Zivil
       seine Dienstwaffe auf sie gerichtet haben, ohne sich als Polizist zu
       erkennen gegeben zu haben.
       
       Grund zur Sorge machten dem Zusammenschluss nicht zuletzt die in jüngster
       Zeit bekannt gewordenen Fälle, in denen Polizist:innen Menschen unter
       fragwürdigenden Umständen erschossen. So schoss etwa ein Polizist dem
       Oldenburger Lorenz A. im April fünf Mal in den Rücken, woraufhin A. starb.
       Anhaltspunkte, dass A. den Polizisten bedroht hat, gibt es nicht.
       
       Seit 2016 patrouilliert die Taskforce mit täglich Dutzenden Beamt:innen
       in St. Pauli-Süd sowie im ebenfalls als „gefährlicher Ort“ deklarierten
       Schanzenviertel und in der Nähe des Hauptbahnhofs. Allein zwischen April
       und Juni dieses Jahres hat sie bei ihren Einsätzen mehr als 10.000 Menschen
       kontrolliert.
       
       Aus Sicht der Aktivist:innen und Betroffenen seien Schwarze Menschen
       dort besonders häufig aber allein wegen ihrer Hautfarbe von Kontrollen
       betroffen, weshalb auch der Rechtsanwalt Carsten Gericke ein Ende der
       „gefährlichen Orte“ fordert. „Eine Sensibilisierung wird nicht ausreichen
       gegen diese Kontrollpraktiken.“
       
       ## Abwehrhaltung bei der Polizei
       
       Die Hamburger Polizei hält an ihrem Kurs jedoch weiterhin fest, sieht ihn
       ebenso als nötig wie als erfolgreich an. [2][Dass bei Kontrollen Racial
       Profiling mitunter eine Rolle spiele, weist sie weiterhin zurück.] Es werde
       nicht nach Aussehen und Hautfarbe kontrolliert, sondern „anlass- und
       lagebezogen auf der Grundlage konkreter Hinweise und Verdachtsmomente“, gab
       sie jüngst auf eine Bürgerschaftsanfrage zu Protokoll.
       
       „Die Ergebnisse unserer Forschung sagen etwas anderes“, entgegnet Moana
       Kahrmann, die [3][am Forschungsprojekt „Polizei, Taskforce und Racist
       Profiling auf St. Pauli“ mitgeforscht hat.] Demzufolge dominiere die
       Polizei mittlerweile den öffentlichen Raum auf eine Weise, die bei den
       Nutzer:innen des Stadtteils Angst, Unsicherheit, Beklemmung und ein
       Gefühl von Unterdrückung auslöst.
       
       Die Ignoranz der Polizei, sich strukturell und institutionell mit den
       Erfahrungen Schwarzer Menschen auseinanderzusetzen, sei unverständlich,
       sagt Kahrmann. Überraschend sei es aber nicht, schließlich gebe es dafür
       Rückendeckung aus der Politik. So hatte auch Hamburgs Bürgermeister Peter
       Tschentscher (SPD) die Studie kürzlich als unglaubwürdig hingestellt.
       
       10 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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