# taz.de -- Polizeitaktik bei G20-Protesten: Überall reizende Gase
> Obwohl der Senat vorher das Gegenteil behauptet hat, wurde während der
> G20-Proteste flächendeckend Reizgas versprüht. Die Linke wirft dem Senat
> Täuschung vor
IMG Bild: Nicht nur die beiden haben während des G20-Gipfels in Hamburg Gas in Augen bekommen.
HAMBURG taz | Was eigentlich nicht passieren sollte, ist doch passiert: Die
Polizei hat beim G20-Gipfel flächendeckend Reizgas eingesetzt, obwohl der
Senat angekündigt hatte, dazu werde es nicht kommen. Der Hamburger
Einsatzleiter Hartmut Dudde hatte die Einsatzleiter*innen aus anderen
Bundesländern angehalten, kein Reizgas einzusetzen. Sie taten es trotzdem –
und zwar nicht zu knapp.
In 67 Fällen wurde Reizgas aus einer Mehrzweckpistole abgeschossen. 22-mal
von einer sächsischen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE), 21-mal
von einer thüringischen, 18-mal von dem bayerischen Unterstützungskommando
(USK), viermal von einer BFE-Einheit aus Rheinland-Pfalz und zweimal von
einer hessischen BFE.
„Ein Einsatz von Reizstoffen über Abschussvorrichtungen, wie zum Beispiel
mittels einer Mehrzweckpistole, erfolgt in Hamburg nicht“, hatte der Senat
im März vergangenen Jahres auf Anfrage der Linken-Abgeordneten Christiane
Schneider gesagt. Kurz vor dem G20-Gipfel hatte Schneider nochmals
nachgefragt. Der Senat hatte geantwortet: „Die Aussage ist weiterhin
gültig.“
Dass es jetzt doch dazu kam, wollte die Innenbehörde gegenüber der taz
nicht kommentieren, sondern verwies auf eine Äußerung des
Polizeipräsidenten Ralf Meyer. Dieser hatte am Donnerstag den Vorwurf des
unautorisierten Reizgasabschusses von sich gewiesen. „Der Reizgaseinsatz
durch auswärtige Einheiten war rechtlich abgedeckt“, ließ er schriftlich
mitteilen. Und wiederholte, was schon aus den Senatsantworten bekannt war:
Der Einsatz von Reizgas sei legal, werde aber von der hiesigen Polizei
nicht praktiziert. Die Thüringer Polizei bestätigte der taz, dass sie
CS-Gas eingesetzt hatte.
Dazu, dass sich externe Einheiten über Duddes Anweisung hinweggesetzt
haben, sagte Meyer: „Eine grundsätzliche Anordnungslage des Polizeiführers
schließt nicht aus, dass situationsbedingt vor Ort der Einsatz von
Reizstoffen entschieden und angeordnet wird.“
Der Kriminologie-Professor Raphael Behr findet den großflächigen Einsatz
von Reizgas in zweierlei Hinsicht beunruhigend. Dass man in den letzten
Jahren davon abgekommen war, Reizgas flächendeckend gegen ein großes
Publikum einzusetzen, sei für ihn ein Indiz gewesen, dass nicht alles immer
schlimmer werde. „Diese Tendenz ist jetzt offenbar vorbei. Es geht wieder
in Richtung Militarisierung der Polizei“, sagte er. Zudem beunruhige ihn,
dass sich mehrere Einsatzleiter einfach über die Anweisung des
Gesamteinsatzleiters hinweggesetzt hätten.
Christiane Schneider sieht das etwas anders. Dem Senat wirft sie
„Täuschung“ vor. „Es hat sich gezeigt, dass es von Anfang an eine Option
war, dass Reizgas eingesetzt wird.“ Nur übernehme Hamburg selbst keine
Verantwortung dafür und sei damit „aus dem Schneider“.
18 Aug 2017
## AUTOREN
DIR Katharina Schipkowski
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