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       # taz.de -- Potsdamer Platz in Berlin: Ein Unort wie im Film
       
       > Geschlossene Kinos, verrammelte Läden, leere Restaurants: Der Potsdamer
       > Platz ist eine Einöde. Der Berlinale fehlt damit ein Zentrum.
       
   IMG Bild: Nur noch leblose Kulisse: der Potsdamer Platz in Berlin
       
       Berlin taz | Die am Sonntag [1][zu Ende gegangene Berlinale] war für viele
       vor allem ein gesundheitspolitisches Experiment: Sind die
       Organisator*innen nach zwei Jahren Coronapandemie in der Lage, ein
       Filmfestival ohne Massenansteckungen vor und in den Kinos zu organisieren?
       Offenbar – so weit das bisher absehbar ist. Für viele andere war die
       Berlinale deswegen vor allem ein Filmfest, und zwar ein durchaus
       sehenswertes.
       
       Diese 72. Filmfestspiele hatten aber noch eine weitere Besonderheit. Ihnen
       fehlte ein zentraler Ort, eine Art Heimat in der Stadt. Denn der Potsdamer
       Platz, wo das temporär zum Berlinale-Palast samt Roten Teppich umbenannte
       Theater steht, ist endgültig zu einem potemkinschen Dorf geworden.
       
       Zwar sind die [2][Abgesänge der Feuilletons auf diesen einst legendären
       Ort] so alt wie die dort seit Ende der 1990er Jahre stehende
       Hochhausarchitektur. Aber erst in diesem Jahr bekamen Filmfans und
       -kritiker*innen zu spüren, welche Folgen eine Stadtplanung haben kann, die
       Kultur allein den privaten Bauinvestoren überlässt und den öffentlichen
       Raum noch dazu.
       
       Eines der beiden Multiplexkinos am Platz, das Cinestar, ist seit geraumer
       Zeit geschlossen und mit ihm inzwischen ein guter Teil der umgebenden
       Gastronomie im Sony-Center. Nun sind wegen Komplettumbau auch die Türen der
       Potsdamer Platz Arkaden verrammelt, die in den letzten 20 Jahren ein – wenn
       auch gewöhnungsbedürftiger – Anlaufpunkt für Kinobesucher*innen
       geworden waren. Damit fehlen viele weitere Orte, wo mensch zumindest kurz
       vor oder nach dem Film sitzen, Kaffee trinken oder essen gehen konnte. So
       ist der Potsdamer Platz endgültig zu einem zugigen Unort geworden, ohne
       Anlaufstellen, ohne Anzugspunkte, ohne attraktives Umfeld. Bonjour
       Tristesse.
       
       Das wird auch zu einem Problem für die Berlinale, deren
       Organisator*innen im Vorfeld gerade dieser Pandemieausgabe betonten,
       wie wichtig ihnen Präsenz ist. Dazu gehören sowohl die Kinos wie auch die
       anderen Orte des Austauschs, an denen im kalten Februar offiziell und
       informell geredet werden kann über das, was auf der Leinwand gezeigt wurde.
       
       ## Lichtspielhäuser zu Zara-Läden
       
       So manchem mag sich angesichts dieser Entwicklung ein Déjà-vu-Gefühl
       einstellen: Nachdem die Berlinale im Jahr 2000 ihre alte Heimat am Ku'damm
       verließ und an den Potsdamer Platz zog, begann in der City West das große
       Kinosterben. Viele traditionsreiche Lichtspielhäuser endeten als Filialen
       von Modeketten; als Kinostandort ist der Ku'damm nur mehr einer unter
       vielen.
       
       Diese Vielfalt ist auch eine Chance für ein Publikumsfestival wie die
       Berlinale. Vielleicht wird sie sich in den nächsten Jahren noch weiter
       verteilen auf die kleineren und größeren Kinos der Stadt. Für den Potsdamer
       Platz hingegen wäre diese Streuung ein weiterer Schlag – aus dem wiederum
       Berlins Stadtplaner*innen viel lernen können: Kulturorte braucht es
       überall, auch in den derzeit entstehenden neuen Quartieren, und wer Leben
       auf der Straße will, darf den öffentlichen Raum nicht privatisieren. Sonst
       wird er, wie gerade am Potsdamer Platz, irgendwann einfach abgeschlossen.
       
       21 Feb 2022
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
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