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       # taz.de -- Pressefreiheit in Serbien: Wenn die Regierung mithört und mitliest
       
       > Lange war es ein offenes Geheimnis, nun bestätigen es Recherchen: Der
       > serbische Geheimdienst BIA hört Aktivisten, Journalisten und Politiker
       > gesetzwidrig ab.
       
   IMG Bild: Der serbische Staatspräsident Aleksandar Vučić in Brüssel, Belgien, am 18. Dezember 2024
       
       Belgrad taz | Wahlfälschung, gleichgeschaltete Medien, parteieigene
       Schlägertrupps, gehorsame Staatsanwaltschaft, politischer Missbrauch von
       Polizei und Geheimdiensten: Seit Jahren warnen serbische Aktivisten und
       kritische Journalisten, dass Serbien, [1][das formal den Status eines
       EU-Beitrittskandidaten hat], längst keine Demokratie sei, sondern eine
       Autokratie, die in eine offene Diktatur abrutscht.
       
       Es ist auch längst ein „offenes Geheimnis“, dass der serbische Geheimdienst
       BIA Aktivisten, Journalisten und oppositionelle Politiker gesetzwidrig
       abhört, auf Anweisung „von oben“. Unabhängige Medien berichteten, dass, wie
       einst die Stasi in der DDR, die BIA in die Verteidigung des Regimes von
       Kritikern eingespannt sei, die die regimetreue Boulevardpresse als
       „Auslandssöldner“ brandmarkt.
       
       Dass dem tatsächlich so ist, haben neulich Amnesty International und das
       Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) nachgewiesen. Nach einer
       forensischen Analyse von Dutzenden Mobiltelefonen von „Staatsfeinden“
       veröffentlichten sie Mitte Dezember 2024 [2][den Bericht „Digitales
       Gefängnis: Überwachung und Unterdrückung der Zivilgesellschaft in
       Serbien“].
       
       „Die serbischen Behörden setzen Überwachungstechnologie und digitale
       Repressionstaktiken als Instrumente einer umfassenden staatlichen Kontrolle
       und Repression gegen die Zivilgesellschaft ein“, sagt dazu Charlotte Deiss,
       Juristin und Forschungsbeauftragte für Meinungsäußerungsfreiheit bei
       Amnesty International Österreich. „Der Bericht macht deutlich, wie
       hochinvasive Spyware das Recht auf Privatleben sowie die
       Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit von jedem Einzelnen
       gefährdet.“
       
       ## Der Geheimdienst gibt sich ahnungslos
       
       In der Praxis funktioniert das so: Aktivisten werden unter irgendeinem
       Vorwand zum „Informationsgespräch“ in eine Polizeistation abgeführt. Ihre
       Mobiltelefone müssen sie abgeben, und während sie verhört werden,
       entschlüsselt man die Apparate mit einer eigens von der BIA entwickelten
       Software „NoviSpy“. Dann wird die israelische Spysoftware „Cellebrite“
       installiert, die nicht nur Textnachrichten und Kontakte, sondern auch
       private Fotos einsammelt. Ganze Familien wurden so ausspioniert, Kameras
       und Mikrofone der Mobilgeräte ferngeschaltet, schreibt das BIRN.
       
       „In einem Land, in dem Bürgerproteste immer massiver werden und die
       Unzufriedenheit mit dem Regime immer lauter artikuliert wird, stellt diese
       Praxis einen direkten Angriff auf grundlegende Bürgerfreiheiten dar,
       einbegriffen das Recht auf friedliche Demonstrationen und
       Meinungsfreiheit“, gab das Belgrader Zentrum für Sicherheitspolitik (BCBP)
       bekannt.
       
       Der serbische Geheimdienst wehrte das alles als ein „Hirngespinst“ ab, als
       einen „weiteren Beweis“, dass Amnesty im „Interesse verschiedener Agenturen
       und Gruppen“ arbeite, die Druck auf Serbien ausüben wollten. Auch das
       serbische Innenministerium dementierte, irgendetwas mit illegaler Spionage
       zu tun zu haben.
       
       Die Interpretation [3][des allmächtigen serbischen Staatspräsidenten
       Aleksandar Vučić], der sich fast täglich übers Fernsehen an sein Volk
       wendet: Alles gelogen, denn antiserbische ausländische Geheimdienste
       wollten ihn über einheimische Verräter aus dem Weg räumen, weil er Serbien
       stark gemacht habe und ihnen das starke Serbien ein Dorn im Auge sei.
       
       7 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bekenntnisse-zur-EU-auf-dem-Balkangipfel/!5896730
   DIR [2] https://www.amnesty.org/en/documents/eur70/8813/2024/en/
   DIR [3] /Studierendenproteste-in-Serbien/!6059002
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrej Ivanji
       
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