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       # taz.de -- Pro & Contra Scheitern der Koalition: Handelte Italiens Präsident richtig?
       
       > Sergio Mattarella hat einen Minister abgelehnt und so eine Regierung der
       > Populisten verhindert. Weise Entscheidung oder kalter Umsturz?
       
   IMG Bild: Er war unbeugsam: Italiens Präsident Mattarella
       
       JA 
       
       Nicht Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella hat die
       [1][Regierungsbildung platzen] lassen, das haben die Fünf-Sterne-Bewegung
       (M5S) und die Lega schon selbst geschafft. Die Parteien wollten die
       Eskalation, sie wollten den Präsidenten zwingen, den Eurokritiker Paolo
       Savona zum Finanz- und Wirtschaftsminister zu machen. Damit ignorieren sie
       die Verfassung: Der Präsident ist keine Marionette, die nur schnell noch
       ihr Häkchen hinter die Vorschläge des designierten Ministerpräsidenten
       setzt. Die Verfassung gibt Mattarella das Recht, die vorgeschlagenen
       MinisterInnen zu ernennen – oder es eben nicht zu tun. Der Mann hat einfach
       seine Arbeit gemacht, und diese auch gut begründet.
       
       Solche Vorfälle gab es schon vorher, etwa 1994, als der damalige Präsident
       sich weigerte, Silvio Berlusconis privaten Anwalt zum Justizminister zu
       machen. Eine Amtsenthebung Mattarellas zu fordern oder sein Nein zu Savona
       zu skandalisieren, ist daher Unfug; dass Mattarella keine Einwände gegen
       die anderen vorgeschlagenen MinisterInnen hatte, zeigt doch deutlich, dass
       es ihm nicht darum ging, diese Regierung komplett zu verhindern. Dem
       Wählerwillen hätte also durchaus entsprochen werden können. Die Koalition
       hätte einen anderen Finanzminister auswählen können. Stattdessen
       inszenieren sich die Chefs von M5S und Lega, Luigi Di Maio und Matteo
       Salvini, als unterdrückte Underdogs, Mattarella dagegen als Handlanger der
       Finanzmärkte.
       
       Dabei geht es eben nicht nur um Investoren, sondern um die Interessen der
       ItalienerInnen: Wenn Mattarella durch einen Finanzminister ein Risiko für
       die Ersparnisse der BürgerInnen sieht, muss er handeln, denn auch den
       Schutz dieser Rücklagen sieht die Verfassung vor. Die EU hat noch mal Glück
       gehabt – bleibt zu hoffen, dass sie sich in Zurückhaltung übt und einen Weg
       findet, den Skeptikern ihre Vorteile deutlich zu machen. EVA OER
       
       ***
       
       NEIN 
       
       Was hat mehr Gewicht: der Wille der Wähler oder das Vertrauen der
       Finanzmärkte? Das ist in einer Demokratie eine Grundsatzfrage. Wer die
       Märkte über die Wähler stellt, kann Wahlen eigentlich abschaffen. Wer freie
       Wahlen akzeptiert, muss auch Regierungen zulassen, die das „Vertrauen der
       Investoren“ beschädigen. Das gilt für Syriza in Griechenland, Jeremy Corbyn
       in Großbritannien und eben auch für die Fünf Sterne und ihre
       Koalitionspartner in Italien.
       
       Aber in Italien dürfen die Wahlsieger jetzt nicht regieren, weil dem
       Staatspräsidenten der designierte Finanz- und Wirtschaftsminister nicht
       gefällt. Man kann bezweifeln, dass der exzentrische Eurokritiker Paolo
       Savona eine gute Wahl war. Man kann auch begrüßen, dass der dubiose
       designierte Premierminister Giuseppe Conte aufgab. Das Ergebnis müsste dann
       aber sein, dass die Koalition aufgefordert wird, einen neuen Kandidaten für
       die Regierungsbildung zu benennen – und nicht, dass stattdessen ein
       Technokrat ohne Parlamentsmehrheit benannt wird, der gar nichts tun soll,
       außer Neuwahlen herbeizuführen.
       
       Dieser kalte Umsturz in Italien ist fundamental undemokratisch, Wasser auf
       die Mühlen all jener, die die EU für ein demokratiefeindliches
       Elitenprojekt halten. Er löst kein Problem, sondern verstetigt die Krise
       Italiens und bestätigt das Weltbild der Populisten quer durch die EU.
       
       Applaus, weil jetzt die rechtsextreme Lega von der Macht ferngehalten wird,
       ist fehl am Platz. Das Handeln des italienischen Präsidenten Mattarella
       entspringt jenem unseligen Geist, der zu Zeiten des Kalten Krieges im Fall
       eines Wahlsieges der Kommunisten in Italien einen Militärputsch nach
       Pinochet-Muster bevorzugte.
       
       Diese Zeiten sollten vorbei sein. Eine europäische Idee, die sich gegen den
       Wählerwillen durchsetzt, hat keine Zukunft. DOMINIC JOHNSON
       
       28 May 2018
       
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