# taz.de -- Pro-Hamas-Proteste in der Türkei: „Tod den Zionisten“
> Auf Geheiß des türkischen Präsidenten Erdoğan feiern in der Türkei
> Zehntausende den getöteten Hamas-Chef Ismail Haniyeh und protestieren
> gegen Israel.
IMG Bild: Protest in Istanbul gegen die Tötung des Hamas-Führers Ismail Haniyeh am Samstag
Istanbul taz „Allahu Akbar, Allahu Akbar“ ruft eine ältere Frau inbrünstig
gen Himmel. Sie ist in ihrem schwarzen Sharsaf aufgesprungen und schwingt
enthusiastisch eine palästinensische Fahne. Im Chor mit ihr preisen
zeitgleich Zehntausende Menschen „Allah“, während ein Einpeitscher auf der
Bühne den Takt vorgibt.
Auf dem schönsten Areal Istanbuls, dem Platz vor der Hagia Sophia, der in
einen Park hin zur Blauen Moschee übergeht, hat sich am Samstagabend eine
schier unüberschaubare Menge von DemonstrantInnen versammelt, die ihren
Zorn über die [1][Tötung des Hamas-Chefs Ismail Haniyeh] und ihre
Unterstützung für Palästina zum Ausdruck bringen wollen.
Obwohl der Ruf „Allahu Akbar!“ sich abwechselt mit der Verwünschung Israels
und der Forderung „Tod den Zionisten“, hat die Menge doch wenig
Bedrohliches. Es sind nicht so sehr zornige, fanatische junge Männer, die
das Bild bestimmen, sondern Familien und Frauen mit Kindern, die ihren
Sommerabend vor der Hagia Sophia verbringen. Die Rufe sind Routine,
wenngleich die Empörung über den „Mord an Haniyeh“ wie eine Nachbarin sagt,
echt ist. „Wie viele Kinder in Gaza will Netanjahu noch töten?“, steht auf
dem selbst gemalten Plakat eines jungen Mädchens.
Das Entsetzen über die Bilder aus Gaza ist der Resonanzboden, auf dem
Präsident Recep Tayyip Erdoğan seit der Nachricht über den Tod Haniyehs in
Teheran eine [2][Politshow ohnegleichen] aufbaut. Erdoğan drohte Israel mit
militärischen Maßnahmen, er erklärte den Freitag zu einem nationalen
Trauertag für Haniyeh, alle Fahnen wurden auf Halbmast gesetzt, auch die
der türkischen Botschaften weltweit, darunter auch in Tel Aviv, was die
israelische Regierung als Provokation empfand.
## Hamas-Vertreter und Erdoğans Sohn als Hauptredner
Weil Instagram einige Posts zur Verherrlichung von Ismail Haniyeh sperrte,
ließ Erdoğan gleich [3][ganz Instagram in der Türkei sperren].
Die Trauerveranstaltungen am Freitag in allen großen Moscheen des Landes
wurden angeführt von der Veranstaltung in der Hagia Sophia, wo Ali Erbas,
der Chef der mächtigen Religionsbehörde Diyanet, mit einem goldenen Schwert
in der Hand eine scharfe Predigt hielt. Für Erdoğan, seine AKP und ihre
Anhänger herrscht seit der Tötung Haniyehs eine Art Ausnahmezustand.
Gespannt wartet das Land, wie Iran und seine Verbündeten reagieren werden.
In fast allen türkischen Nachrichtensendern gibt es praktisch kein anderes
Thema mehr. Im türkischen CNN wurde die Tötung Haniyehs mit dem Attentat
auf den österreichischen Thronfolger Prinz Ferdinand verglichen, das
letztlich zum Ersten Weltkrieg führte. Auch die Veranstaltungen und
Demonstrationen am Samstagabend sollten offenbar das Feuer weiter schüren.
Hauptredner nach der Lesung aus dem Koran durch den Vorbeter der Hagia
Sophia waren ein Vertreter der Hamas, Talal Nassar, und der Sohn des
Präsidenten, Bilal Erdoğan. Talal Nassar lobte vor allem den Präsidenten.
„Wo jeder uns als Terroristen bezeichnet, hat der mutige Türke Erdoğan uns
unterstützt“, rief er ins Mikro. „Wir sind die Widerstandsbewegung des
palästinensischen Volkes.“
Bilal Erdoğan, der offiziell als Vorsitzender eines Vereins zur Pflege
osmanischen Brauchtums auftrat, pries seinen Vater und die
unerschütterliche Unterstützung Palästinas durch „das türkische Volk“.
Doch „das Volk“ ist auch an diesem Abend durchaus zwiegespalten. Während
die Anhänger Erdoğans zur Hagia Sophia pilgerten, interessierte sich die
andere Hälfte der Istanbuler hauptsächlich für den Fußball-Supercup, der
ebenfalls an diesem Abend in der Stadt ausgetragen wurde.
4 Aug 2024
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## AUTOREN
DIR Jürgen Gottschlich
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