# taz.de -- Produktion von grünem Wasserstoff: Ambitionslücke beim Ausbau
> Grüner Wasserstoff ist der Hoffnungsträger für die Energiewende. Aber ob
> die Regierung zur nötigen Förderung bereit ist, ist unklar.
IMG Bild: Für die Wasserstoffproduktion erforderliche Maschinen: Montage eines Elektrolyseurs beim Unternehmen Andritz Schuler in Erfurt
Freiburg taz | „Pragmatischer“ soll die Wasserstoffwirtschaft werden – so
steht es im aktuellen Koalitionsvertrag. Was das bedeutet, folgt
unmittelbar: „Im Hochlauf müssen wir alle Farben nutzen.“ Das heißt: Die
Bundesregierung will sich nicht allein auf [1][grünen Wasserstoff]
konzentrieren, der mit erneuerbarem Strom erzeugt wird, sondern sie will
zum Beispiel auch Wasserstoff aus Erdgas gewinnen.
Kritiker haben für den schleppenden Ausbau der Erzeugungskapazitäten von
grünem Wasserstoff bereits das Wort „Ambitionslücke“ ersonnen. Zugleich
vermissen sie Konzepte, um Abnehmer [2][für den Energieträger] zu schaffen.
In einem offenen Brief schrieben jüngst 14 einschlägig tätige Unternehmen
und Umweltorganisationen, sie blickten „mit Sorge“ auf die Pläne der
Bundesregierung, „im Rahmen der Kraftwerksstrategie bis zu 20 Gigawatt
Gaskraftwerke auszuschreiben, ohne konkreten Fahrplan für die Umstellung
dieser Kraftwerke auf grünen Wasserstoff“.
Die Unterzeichner fordern von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU)
einen „verbindlichen Dekarbonisierungspfad“ und einen „entscheidenden
Impuls für den noch stockenden Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in
Deutschland“.
In der Praxis ist damit stets Förderung gemeint. Denn längst ist klar, dass
sich eine Wasserstoffwelt ohne massive staatliche Unterstützung nicht wird
aufbauen lassen. Einerseits müssen die Elektrolyseure zur Erzeugung von
Wasserstoff möglichst viele Stunden im Jahr in Betrieb sein, wenn sie die
hohen Investitionskosten einspielen wollen. Andererseits müssen sie dann
aber auch in Stunden laufen, in denen es keinen Stromüberschuss aus
erneuerbaren Energien gibt. Aber: So lange fossile Kraftwerke laufen,
sollte im Idealfall kein Elektrolyseur zeitgleich betrieben werden.
Analysen des Beratungsunternehmens E-Bridge Consulting unterlegen das
Dilemma mit Zahlen. Unter den aktuellen Marktbedingungen sei es
betriebswirtschaftlich am besten, einen Elektrolyseur zwischen 7.000 und
8.000 Stunden im Jahr laufen zu lassen, rechnen die Analysten vor. Das
wären etwa 80 bis 90 Prozent aller Stunden eines Jahres. Ein Überschuss aus
Photovoltaik und Windkraft wird aber bestenfalls in einem Drittel der Zeit
gegeben sein.
## Wasserstoff zu teuer
Auch der hohe Preis ist ein Problem. Die realistischen Kosten des
Wasserstoffs bei dezentralen Anlagen lägen aktuell bei 7 bis 9 Euro pro
Kilogramm, sagt Philipp-Matthias Heuser, Wasserstoffexperte bei E-Bridge.
Da zu den reinen Erzeugungskosten auch noch Transport und Vermarktung
hinzukommen, müssten Abnehmer derzeit Preise zwischen 10 und 15 Euro pro
Kilogramm bezahlen.
Damit überschreiten die Preise aber die Zahlungsbereitschaft der
potenziellen Verbraucher. Für den Verkehrssektor müsse eine Preis von 6 bis
8 Euro pro Kilogramm erzielt werden, um Dieselparität zu schaffen, sagt
Heuser. Noch weitaus preiskritischer seien Industriekunden, die den
Großteil der Abnehmer ausmachen werden: „In der Industrie liegt die
Zahlungsbereitschaft nur bei 3,50 bis 4,50 Euro pro Kilogramm“, sagt
Heuser.
Zwei Faktoren könnten den Wasserstoff langfristig wirtschaftlich machen,
sagt Heuser. Zum einen könne ein steigender CO2-Preis die Relationen
zugunsten des Wasserstoffs verschieben. Zum anderen könne ein deutlicher
Rückgang der Investitionskosten bei den Elektrolyseuren den Markt
verändern. Dass das langfristig gelingt, hält Heuser für realistisch: Ein
Rückgang der Investitionskosten auf unter 1.000 Euro pro Kilowatt in den
2040er Jahren sei möglich. Dann könnten auch die Preise des Wasserstoffs
deutlich sinken. Jetzt liegen die Investitionskosten beim Zwei- bis
Dreifachen.
## Förderung erforderlich
Der Elektrolyseur selbst ist nur ein Kostenfaktor. Die Kosten des
Wasserstoffs hängen auch ganz erheblich vom Strompreis ab, denn ein
Elektrolyseur braucht für jedes Kilogramm Wasserstoff rund 55
Kilowattstunden Strom. Bei einem Strompreis von 10 Cent je Kilowattstunde
ist jedes Kilogramm Wasserstoff folglich mit reinen Stromkosten in Höhe von
5,50 Euro belastet.
Längst ist klar: An allen Ecken braucht der Wasserstoff Fördergeld. Damit
werden derzeit erste Großelektrolyseure aufgebaut. Die Firma Enertrag baut
in Prenzlau eine Wasserstoffproduktion mit einer elektrischen
Anschlussleistung von 130 Megawatt, die zusammen mit einem zweiten Standort
in Mecklenburg-Vorpommern den „Elektrolysekorridor Ostdeutschland“ ergibt.
Den Förderbescheid in Höhe von 214 Millionen Euro hatte der damalige
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Juli letzten Jahres persönlich
übergeben. Nun ist die wichtigste Frage in der Wasserstoffwelt, welche
Förderbescheide [3][Katherina Reiche] künftig zu übergeben bereit ist.
27 Aug 2025
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## AUTOREN
DIR Bernward Janzing
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