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       # taz.de -- Protest gegen AfD-Demo in Berlin: Antifaschistische Blamage
       
       > Zur AfD-Demo am Samstag erschienen bis zu 10.000 Menschen, zu den
       > Gegenprotesten kamen nur etwa 1.500. Wie konnte das passieren?
       
   IMG Bild: „Unser Land zuerst“ – aber welches Land?!
       
       Berlin taz | Für die AfD war der Samstag ein großer Erfolg. Statt der
       angemeldeten 4.000 Teilnehmenden zogen laut Polizei 10.000 Rechte durchs
       Regierungsviertel. Unter dem Motto „Unser Land zuerst“ wollte die AfD den
       „heißen Herbst“ eröffnen. Um soziale Entlastungen ging es auf der Demo dann
       aber wenig, stattdessen wurde das Ende der Sanktionen gegen Russland und
       das Öffnen der Gaspipeline Nordstream 2 gefordert. Presseteams wurden
       attackiert, rechtsextreme Parolen gerufen, vereinzelt Hitlergrüße gezeigt.
       
       [1][Dem Erfolg der AfD] steht eine Blamage des linken Gegenprotests
       gegenüber. Obwohl das Clubbündnis Reclaim Club Culture mobilisierte, obwohl
       zahlreiche Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und zivilgesellschaftliche
       Initiativen zum Gegenprotest aufriefen – letztlich erschienen sind laut
       Polizeiangaben nur 1.500 Berliner:innen. Ein Grund mag sein, dass die
       Mobilisierung für den Gegenprotest kaum drei Wochen lief. Für erfolgreiche
       Blockadeversuche, etwa auf der Friedrichstraße, fehlte so schlicht die
       Masse. Die wenigen Aktivist:innen, die es dennoch versuchten, konnte die
       Polizei schnell räumen.
       
       Ungestört laufen konnten die Rechten zwar nicht: An zahlreichen Stellen,
       etwa an der Ebertstraße, am Pariser Platz oder am Potsdamer Platz,
       schallten ihnen antifaschistische Sprechchöre entgegen. Einige Linke
       crashten die AfD-Demo, indem sie sich vorne in den Zug einreihten und ein
       Transparent mit der Aufschrift [2][„Preisdeckel, Umverteilung,
       Vergesellschaftung, Solidarität – alles, was es braucht, lehnt die AfD ab“]
       hochhielten. Und die Aktionskünstler:innen vom Zentrum für Politische
       Schönheit ließen in der Friedrichstraße [3][Tausende zerschredderte
       Parteiflyer über die AfDler regnen]. Dennoch: Eine Massenmobilisierung
       sieht anders aus.
       
       ## Wut war kaum zu spüren
       
       Wie konnte es passieren, dass die AfD in einer Stadt derart ungestört
       aufmarschieren kann, die sich doch ihrer angeblich so großen,
       links-alternativen Szene rühmt?
       
       Noch im Mai 2018, als die AfD sich hier das letzte Mal an einer Großdemo
       versuchte, stellten sich über 70.000 Menschen den 3.000 Rechten entgegen.
       Fast vollständig umzingelt traten die AfDler vor dem Brandenburger Tor auf
       der Stelle, von überall schallten ihnen Beschimpfungen, Sprechchöre und
       Technobeats entgegen. Im Oktober desselben Jahres demonstrierten 240.000
       Menschen auf dem Protest des inzwischen aufgelösten „Unteilbar“-Bündnisses
       gegen Rassismus und Ausgrenzung.
       
       Von diesem Aufbegehren der Zivilgesellschaft gegen die Erfolge der Rechten
       war am Samstag kaum noch etwas zu spüren. Etwas Partyvolk ravte zum „AfD
       wegbassen“-Protest – doch wo die Rechten in vielfacher Überzahl waren,
       wirkte das trotzdem nicht so selbstbewusst wie beabsichtigt. Schwarz
       gekleidete Antifas standen etwas überfordert wirkend herum. Wer sich hier
       aus der bürgerlichen Mitte gegen Nazis stellte und wer einfach nur
       Tourist:in war, war nicht klar zu sagen. Von Wut über den Umstand, dass
       eine von Faschist:innen durchsetzte Partei durch das Zentrum der
       deutschen Hauptstadt läuft, war kaum noch etwas zu spüren.
       
       „Es ist drastisch, dass die AfD mit so vielen Menschen ihre Hetze
       verbreiten konnte und dass sich ihr nur deutlich weniger Menschen
       entgegengestellt haben“, sagt auch Irmgard Wurdack, Geschäftsführerin vom
       Bündnis Aufstehen gegen Rassismus, der taz. Der Tag zeige, dass die
       „gesamtgesellschaftliche Linke über die Coronazeit an Muskeln und
       Zuversicht verloren“ habe.
       
       ## Berlin, wo waren deine Linken?
       
       Rechtsoffene Gruppen hätten sich in der Pandemie Räume nehmen können,
       gleichzeitig sei die AfD Normalität geworden. Für die Gegenproteste hätten
       sich viele Bündnispartner:innen abstimmen müssen, es sei deshalb nicht
       viel Zeit für Mobilisierung geblieben, sagt Wurdack. Ihr Fazit ist dann
       auch gar nicht negativ: „Angesichts der Bedingungen bin ich noch froh, dass
       wir doch so viele Leute mobilisieren konnten.“
       
       Kritik übte sie an der Einsatztaktik der Polizei. Diese habe das
       Reichstagsgebäude so weiträumig abgegittert, dass es viele Menschen gar
       nicht zum Protest geschafft hätten. Die Zubringerdemo, die vom Hauptbahnhof
       zum Platz der Republik führte, sei „ewig aufgehalten“ worden. Entgegen der
       Zusagen der Polizei habe es keinen direkten Zugang vom Hauptbahnhof zur
       Auftaktkundgebung gegeben.
       
       Rechtfertigen kann all das diesen antifaschistischen Misserfolg aber nicht.
       Auch die Tatsache, dass gleichzeitig 400 Menschen im Wedding für mehr
       soziale Hilfen in der Inflation demonstrierten oder dass 1.000 Menschen an
       der Technischen Universität [4][an der Vergesellschaftungskonferenz]
       teilnahmen, reicht nicht als Erklärung für die mangelnde
       Mobilisierungsfähigkeit der linken Akteur:innen. Noch vor wenigen Jahren
       galten Proteste gegen Nazis als Pflichtveranstaltungen. Die Frage, die vom
       Wochenende bleibt: Berlin, wo waren am Samstag deine Linken?
       
       9 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /AfD-Demo-und-Gegendemos-in-Berlin/!5886557
   DIR [2] https://twitter.com/rav_gs/status/1578746035664740352
   DIR [3] https://twitter.com/politicalbeauty/status/1578768734486790146
   DIR [4] /Vision-einer-neuen-linken-Politik/!5884441
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Timm Kühn
       
       ## TAGS
       
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