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       # taz.de -- Protest gegen Zwangsräumung in Bremen: Rauswurf vor Weihnachten
       
       > In Bremen droht ein Mieter seine Wohnung zu verlieren, weil das Jobcenter
       > die Mietzahlung einstellte. Nach Protest gibt es Aussicht auf eine
       > Lösung.
       
   IMG Bild: Polizei im Wohnungsamt: Erst nach einer Stunde konnte der Mieter in Begleitung vorsprechen
       
       Bremen taz | Frank Neumann* droht eine Zwangsräumung seiner Wohnung zum 15.
       Dezember. Der Grund: Das Jobcenter hat rechtswidrig die Mietzahlungen
       eingestellt. Deswegen hat ihn das [1][Bremer Bündnis gegen Zwangsräumungen]
       am Donnerstag öffentlichkeitswirksam zur Zentralen Fachstelle Wohnen (ZFW)
       begleitet. Die Aktivist*innen hatten Schilder mitgebracht, auf denen
       unter anderem stand: „Wir fordern: F’s Wohnung beschlagnahmen“. Bereits
       bevor Neumann und die Unterstützer*innen das Amt betreten konnten,
       wurden sie von der Security aufgehalten, die die Polizei hinzuzog. Erst
       nach einer Stunde durfte Neumann mit zwei Begleitern die ZFW betreten.
       
       „Wir wollen darauf hinweisen, dass Menschen häufig ihre Wohnungen
       verlieren, auch wenn das Jobcenter nur zwischenzeitlich die Miete nicht
       mehr zahlt“, sagte der Sprecher des Bündnisses, Bahne Michels. Der Protest
       zeigt Wirkung: Neumann wurde erneut ein Darlehen in Aussicht gestellt, für
       Freitag wurde ein Folgetermin vereinbart. Ob der Vermieter von der Räumung
       absieht, ist unklar.
       
       In Neumanns Fall hatte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen bereits
       am 17. August 2021 geurteilt, dass das Jobcenter die Mietzahlung
       rechtswidrig eingestellt hatte – in der irrigen Annahme, Neumann habe zu
       hohe Nebeneinkünfte. Vermieter können aber schon bei zwei fehlenden
       Monatsmieten zwangsräumen lassen, unabhängig von den Gründen für das
       Versäumnis. Das Amtsgericht Bremen bezieht sich in seinem Räumungsurteil
       vom 7. Januar dieses Jahres auf eben jenes Urteil des Landessozialgerichts
       und schreibt, dass die fehlenden Zahlungen des Jobcenters der Wirksamkeit
       der Kündigung nicht entgegenstehen.
       
       ## Aktivist*innen schlagen Beschlagnahme vor
       
       Neumann sagt, ein früher von der ZFW versprochenes Darlehen über 300 Euro
       habe er nie bekommen. Auch deswegen habe er die Miete nicht bezahlen
       können. „Ich bin Opfer von Diskriminierung durch das Jobcenter“, sagt er.
       
       Die Aktivist*innen schlugen vor, dass die ZFW von der Möglichkeit
       gebraucht macht, [2][eine leere Wohnung zu beschlagnahmen]. „Wir fordern
       von der Stadt eine Wohnung für ihn – und eine echte politische Lösung für
       Menschen, die zwischen miesen Vermietern und einem säumigen Jobcenter
       zerrieben werden“, sagt Michels. Die ZFW aber erklärte sich für nicht
       zuständig.
       
       Bernd Schneider, Sprecher der Senatorin für Soziales, glaubt nicht, dass es
       zur Räumung kommt. „Wenn eine rechtswidrige Nichtzahlung des Jobcenters
       einziger Grund für die Räumungsklage ist, kann die ZFW die Räumung in
       Zusammenwirkung mit dem Jobcenter noch abwenden“, sagt Schneider. Die ZFW
       habe aber bis Donnerstag keine Kenntnis von der Räumung gehabt, so
       Schneider.
       
       Bahne Michels ist nicht so optimistisch. Das Bündnis betreue jeden Monat
       ein bis zwei Fälle, in denen Mieter*innen Räumungsklagen erhielten, weil
       das Jobcenter die Miete unrechtmäßig nicht mehr zahle. Michels geht von
       einer hohen Dunkelziffer aus, da nicht alle betroffenen Mieter*innen
       sich an das Bündnis wenden würden.
       
       Die Aktion sei dennoch ein Erfolg: „Wir haben einen Folgetermin für morgen
       bei der ZFW, möglicherweise wird es doch noch ein Darlehen geben, das man
       dem Vermieter anbieten kann.“ Sollte es dennoch zur Räumung kommen, will
       das Bündnis eine Kundgebung anmelden.
       
       In Bremen kommt es jedes Jahr [3][zu Hunderten Räumungsklagen]. Von 2015
       bis 2019 gab es insgesamt 4.225 Räumungsverfahren. 2017 gab es 858
       Vollstreckungsaufträge, 2018 waren es 874. Seitdem sinkt die Zahl. 2019
       wurden 573 Zwangsräumungen durchgeführt, 2020 waren es 470 und 2021 noch
       455. Fast die Hälfte der Räumungen wurde in den vergangenen beiden Jahren
       nach dem [4][besonders harten Berliner Modell] durchgeführt, bei dem der
       gesamte Hausrat der Mietenden gepfändet werden kann.
       
       *Name geändert
       
       8 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://allebleibenwohnen.de/
   DIR [2] /Zugriff-auf-Leerstaende/!5238814
   DIR [3] /Zwangsraeumung-in-Bremen/!5896872
   DIR [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Modell_(Recht)
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lukas Scharfenberger
       
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