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       # taz.de -- Protest in Myanmar: Kriegserklärung an Militärjunta
       
       > Myanmars Schattenregierung ruft die Bevölkerung zum „defensiven
       > Volkskrieg“ gegen die Putschregierung des Militärs auf.
       
   IMG Bild: Duwa Lashi La, Präsident der Untergrundorganisation „Nationale Einheitsregierung“
       
       Berlin taz | Die im Untergrund agierende Schattenregierung in Myanmar hat
       am Dienstag zum landesweiten Aufstand gegen die Militärregierung
       aufgerufen. Der amtierende Präsident der oppositionellen „[1][Nationalen
       Einheitsregierung]“, Duwa Lashi La, forderte in einem [2][Facebook-Video]
       die Bevölkerung „in allen Ecken des Landes“ zur Revolte auf, „um die
       Militärherrschaft mit den Wurzeln auszureißen“.
       
       Duwa Lashi La ist ein Rechtsanwalt der Ethnie der Kachin, war Lehrer, über
       Jahre in zivilgesellschaftlichen Organisationen engagiert und ist offiziell
       Vizepräsident der Gegenregierung. Diese führt formal U Win Myint, der bis
       zum Putsch des Militärs am 1. Februar Myanmars Staatspräsident war. Seitdem
       ist er an einem unbekannten Ort inhaftiert. Er war nur deshalb
       Staatspräsident geworden, weil die vom Militär erlassene Verfassung der
       Friedensnobelpreisträgerin [3][Aung San Suu Kyi] die Kandidatur für das
       höchste Staatsamt verboten hatte. Auch sie ist seit dem Putsch inhaftiert.
       
       Die im April gebildete oppositionelle Schattenregierung besteht aus vom
       Militär gestürzten demokratisch gewählten Abgeordneten und Politikern, die
       überwiegend der zuvor regierenden Nationalen Liga für Demokratie von Aung
       San Suu Kyi angehören. Die Kabinettsmitglieder halten sich versteckt,
       mutmaßlich in von militärischen Einheiten der Minderheiten kontrollierten
       Regionen, oder sind im Exil.
       
       Duwa Lashi La rief auch zu zivilem Ungehorsam auf, der mit [4][Streiks]
       auch von Staatsangestellten bereits kurz nach dem Putsch einsetzte.
       Angesichts der Verbrechen des Militärs gebe es keine Alternative zum
       Widerstand. Dies würden auch andere Nationen verstehen.
       
       Wie weit sein Aufruf befolgt wurde, lässt sich noch nicht beurteilen. Wie
       üblich gab es auch am Dienstag wieder einige Flashmobs von Juntagegnern,
       dazu Statements von Gruppen, welche die Kriegserklärung unterstützen.
       
       Beobachter vermuten, dass die Schattenregierung mit der Kriegserklärung
       versucht, Myanmar auf die Tagesordnung der in einer Woche beginnenden
       UN-Generalversammlung zu setzen. Dabei geht es auch um die Frage der
       rechtmäßigen Vertretung des Landes. Denn Myanmars bisheriger UN-Botschafter
       [5][Kyaw Moe Tun] unterstützt die Schattenregierung, weshalb ihn die Junta
       bisher noch vergeblich versucht abzuberufen.
       
       Bewaffneten Widerstand gegen die Junta leisten bisher einige [6][Armeen
       ethnischer Minderheiten], die zum Teil schon seit Jahrzehnten gegen das
       Militär kämpfen. Sie bildeten zuletzt viele Rekruten aus, die vorher in den
       Städten gegen den Putsch demonstriert hatten.
       
       Seit April kämpfen auch sogenannte [7][Volksverteidigungskräfte] in Form
       bewaffneter Bürgermilizen. Sie sind der Armee zwar militärisch unterlegen,
       doch können sie Ortskenntnisse und Überraschungsmomente für empfindliche
       Nadelstiche nutzen. Die Schattenregierung kontrolliert die bewaffnete
       Opposition aber nicht und kann nur an sie appellieren.
       
       Zu Wochenbeginn hatte die Schattenregierung laut Onlineportal
       [8][Irrawaddy] erklärt, im August seien 580 Soldaten bei Angriffen auf das
       Militär getötet und 190 verletzt worden. In 81 Fällen hätten Kämpfer
       bewaffneter Minderheiten angegriffen, in 57 Fällen
       Volksverteidigungskräfte. Umgekehrt habe das Militär bei 129 Vorfällen 73
       Zivilisten getötet und 129 verletzt. Im Juli seien 417 Soldaten getötet und
       270 verletzt worden.
       
       Das Militär kommentierte die Zahlen nicht, die nicht unabhängig überprüft
       werden können, und macht selbst keine Angaben. Laut der
       Menschenrechtsorganisation AAPP wurden seit dem Putsch 1.051 Zivilisten vom
       Militär getötet und 6.313 festgenommen.
       
       Am Montag ließ die Junta den buddhistischen Hassprediger [9][Wirathu] frei.
       Er saß in Haft, weil er gegen die gestürzte Regierung „Hass und Verachtung“
       gepredigt und Aung San Suu Kyi beleidigt hatte. Doch hatte deren Regierung
       nicht den Mut gehabt, den vom US-Magazin Time als „Gesicht buddhistischen
       Terrors“ bezeichneten Mönch wegen Hetze gegen die muslimischen Rohingya
       anzuklagen. 2017 eskalierte die Gewalt und 700.000 Rohingya flohen vor dem
       Militär nach Bangladesch.
       
       7 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://Nationalen%20Einheitsregierung
   DIR [2] https://www.facebook.com/Actingpresidentduwalashila/videos/924237501776114
   DIR [3] http://Aung%20San%20Suu%20Kyi
   DIR [4] /Nach-dem-Putsch-in-Myanmar/!5753531
   DIR [5] /Myanmars-UN-Botschafter/!5749483
   DIR [6] /Folgen-des-Militaerputsches-in-Myanmar/!5768828
   DIR [7] /Widerstand-gegen-Putsch-in-Myanmar/!5767473
   DIR [8] https://www.irrawaddy.com/news/burma/myanmar-shadow-govt-claims-580-junta-troops-killed-last-month.html
   DIR [9] http://Wirathu
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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