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       # taz.de -- Proteste an der DFFB: Verfahren wie im Vatikan
       
       > In Berlin wird der Posten des Direktors der Deutschen Film- und
       > Fernsehakademie neu besetzt. Studenten und Dozenten fühlen sich
       > übergangen.
       
   IMG Bild: Ralph Schwingel (3. v. re.), der neue Direktor, bei einer Kinopremiere in Köln 2013.
       
       BERLIN taz | Habemus directorem? Noch vor wenigen Wochen warnten auf der
       Berlinale Studierende der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb)
       eindringlich vor einem Alleingang des Berliner Senats bei der Neubesetzung
       der seit Herbst vakanten Direktion.
       
       Bei Protestaktionen und einer Podiumsdiskussion forderten sie ein
       transparentes und demokratisches Berufungsverfahren. „Wir haben eigentlich
       noch nie gedacht, dass das Rote Rathaus irgendwie der Vatikan ist.“ So
       beschrieb dffb-Absolvent Max Linz bei dem Podium seine Hoffnung auf eine
       Einbeziehung der Studenten. Als Regisseur von dem Film „Ich will mich nicht
       künstlich aufregen“ hat er sich jüngst mit den oft willkürlich wirkenden
       Entscheidungen der deutschen Film- und Kunstpolitik beschäftigt.
       
       Zwar stieg kein weißer Rauch über dem Berliner Senat auf, als der Name des
       ehemaligen Produzenten Ralph Schwingel bekannt wurde, aber das Prozedere
       scheint mit der Papstwahl vergleichbar gewesen zu sein. In geheimer Klausur
       wurden die beiden Kandidat_innen aus der letzten Bewerbungsrunde, die
       Dozentin und Kamerafrau Sophie Maintigneux und der österreichische
       Fernsehregisseur Julian Pölsler, ausgebootet und ein neuer Kandidat wurde
       mit einer rückdatierten Bewerbung in das Verfahren eingesetzt. Davon
       berichten die beiden Studierenden- und Dozentenvertreter Katinka Narjes und
       Markus Nechleba, die ursprünglich an der Direktorensuche in der dafür
       eingesetzten Findungskommission beteiligt waren.
       
       Über den Wunschkandidaten Schwingel wurden sie erst letzte Woche durch
       Senatskanzleichef Björn Böhning (SPD) in Kenntnis gesetzt. Böhning ist auch
       Vorsitzender des Kuratoriums der als gemeinnützigen GmbH organisierten
       Filmhochschule. Dieses vom Senat eingesetzte sechsköpfige Gremium – zu dem
       Vertreterinnen von ZDF, RBB und dem Medienboard Berlin-Brandenburg gehören
       – ist für die Bestellung der Direktion zuständig.
       
       ## Klingt wie ein Kompromiss
       
       Dessen Zustimmung soll heute erfolgen. Böhning ließ auf Anfrage wissen,
       dass „zu Einzelheiten des laufenden, nicht öffentlichen Verfahrens oder zu
       einzelnen Bewerbern aus gesellschaftsrechtlichen Gründen und aus Gründen
       des Datenschutzes keine Stellung genommen werden kann“.
       
       Nachdem monatelang um eine Entscheidung gerungen wurde, mag das Ergebnis in
       manchen Ohren wie ein Kompromiss klingen: Der 1955 geborene Schwingel hat
       die Filme von Fatih Akin bis zu dessen internationalem Durchbruch mit
       „Gegen die Wand“ produziert. Er gilt daher als Arthouse-affin, obwohl er
       gleichermaßen an mediokren Komödien wie „FC Venus“ oder „Kebab Connection“
       beteiligt war. In einer Rede vor der Deutschen Filmakademie tat er seine
       Bewunderung für Til Schweiger kund, von dem er lernen wolle.
       
       Das könnte Böhning gefallen, der erst im Februar eine filmische
       Industriepolitik forderte. Schwingel hat auch Lehrerfahrung, etwa an der
       Filmhochschule in Potsdam als Vertretungsprofessor für „Kreative
       Produktion“. 2005 war er bei der kontroversen Neubesetzung der Leitung des
       Filmstudiengangs der Hamburg Media School der Fernsehproduzentin Katharina
       Trebitsch (Bella Block) unterlegen.
       
       Dem Berliner Senat sollte derweil die turbulente Besetzung von Jan Schütte
       2010 gegen den Willen von Studierenden und Lehrkräften in Erinnerung sein.
       Damals wie heute ist die Favoritin der Akademie Maintigneux.
       Dozentenvertreter Nechleba erklärt: „Wir können nicht nachvollziehen, mit
       welchen Argumenten Sophie Maintigneux nicht berufen wurde.“ Die
       entscheidende Sitzung, die Ende 2014 über die Berufung entscheiden sollte,
       fand hinter verschlossenen Türen statt.
       
       ## Zweifel an Kompetenz des Gremiums
       
       Wenn heute das Kuratorium erneut tagt, sind Nechleba und Narjes zwar
       eingeladen, aber anders als in der Findungskommission nur mit Rede-, nicht
       mit Stimmrecht. Vonseiten der Senatskanzlei heißt es: „Studierenden- und
       Dozentenvertreter waren und werden in allen Phasen der Bewerbung und der
       Vorstellung beteiligt. Diese umfassende Beteiligung hat den Prozess
       deutlich verlängert, aber die Entscheidungsfindung positiv beeinflusst.“
       
       Verständlich, dass Nechleba und Narjes nun befürchten, durch ihre
       Anwesenheit den Prozess zu legitimieren. Ohnehin zweifelt Nechleba an der
       Kompetenz der aktuellen Besetzung des Gremiums, den Direktor zu bestimmen,
       weil niemand dabei sei, der die dffb gut kenne. Obgleich das stimmen mag,
       könnten zwei von ihnen, Medienboard-Chefin Kirsten Niehuus und
       RBB-Programmdirektorin Claudia Nothelle, eigene Interessen einbringen: Ihre
       Institutionen sind finanziell und inhaltlich über das gemeinsame Programm
       für Abschlussfilme verbunden. Und das, obwohl der Gesellschaftsvertrag der
       dffb vorschreibt, dass Kuratoriums-Mitglieder keine Geschäftsbeziehungen
       zur Akademie haben dürfen.
       
       7 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frédéric Jaeger
       
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