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       # taz.de -- Proteste gegen Kohle-Leitentscheidung: Dörfer werden umgesiedelt
       
       > Es gibt kaum noch Hoffnung für die bedrohten Dörfer im rheinischen
       > Braunkohlerevier. Die Landesregierung hält an den Umsiedlungen fest.
       
   IMG Bild: Für die bedrohten Dörfer gibt es kaum noch Hoffnung, der Bagger hier in Erkelenz rückt näher
       
       Düsseldorf dpa | Trotz des beschlossenen Kohleausstiegs sollen noch fünf
       Dörfer im rheinischen Revier dem Braunkohletagebau weichen. Dieser zentrale
       Aspekt im Entwurf für die neue Leitentscheidung der schwarz-gelben
       Landesregierung zum Braunkohleabbau hat bei Umweltverbänden, Grünen und
       betroffenen Dörfern [1][Empörung] ausgelöst.
       
       Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister [2][Andreas Pinkwart (FDP)
       verteidigte die bereits beschlossene Umsiedlung] am Tagebau Garzweiler. Für
       eine gesicherte Energieversorgung sei der Abbau von Braunkohle in NRW bis
       zum Kohleausstieg Deutschlands erforderlich, sagte Pinkwart am Donnerstag
       im Landtag. Der Bund habe im Gesetz „insbesondere die
       energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler II“
       festgestellt. Die Umsiedlungen müssten deshalb fortgeführt werden.
       
       Eine Leitentscheidung ist die gesetzliche Grundlage für den
       Braunkohle-Abbau in NRW. Darüber muss der Landtag abstimmen. Die neue
       Leitentscheidung war nach dem Beschluss zum Kohleausstieg notwendig
       geworden. Spätestens 2038 soll in Deutschland Schluss sein mit der
       Kohleverstromung.
       
       Dementsprechend kann auch die Braunkohleförderung reduziert werden. Die
       finale Fassung will die CDU/FDP-Landesregierung im Frühjahr 2021
       beschließen. Bis zum 1. Dezember können Bürger, Kommunen und Verbände ihre
       Meinung zum Entwurf abgeben.
       
       ## Fünf Erkelenzer Ortschaften
       
       Die Umsiedlung von fünf Erkelenzer Ortschaften soll „sozialverträglich
       fortgesetzt und bis 2028 abgeschlossen werden“. Mehr als die Hälfte der
       Bewohner aus den betroffenen Dörfern sei bereits umgezogen, sagte Pinkwart.
       Rund 80 Prozent hätten ihre Umsiedlung verbindlich vereinbart. Der Tagebau
       in Garzweiler solle aber zunächst auf bereits unbewohnte Ortschaften
       ausgerichtet werden. Damit werde der zeitliche Druck bei der Umsiedlung
       genommen.
       
       Das Bündnis „Alle Dörfer Bleiben“ nannte den Entwurf „eine Katastrophe“.
       „Die Menschen aus den Dörfern wurden mal wieder völlig ignoriert“, erklärte
       Britta Kox aus dem betroffenen Dorf Berverath. Ministerpräsident Armin
       Laschet (CDU) mache sich erneut „zum Handlanger des Kohlekonzerns“ RWE. Das
       Bündnis kündigte für die nächsten Wochen und Monate „starken Widerstand
       gegen die Pläne von RWE und Landesregierung“ an.
       
       Die Klimaallianz Deutschland erklärte: Die Umsiedlung und Zerstörung von
       weiteren Dörfern ist in Zeiten des beschlossenen Kohleausstiegs nicht mehr
       akzeptabel.“ Die Grünen warfen der Landesregierung vor, klare
       Entscheidungen zu scheuen. „Die Dörfer könnten gerettet werden, wenn Sie es
       wollten“, sagte die Grünen-Abgeordnete Wibke Brems.
       
       Die Aufforderung an RWE, die noch bewohnten Dörfer so lange wie möglich zu
       verschonen, lasse vermuten, „dass sich die Landesregierung inzwischen auch
       nicht mehr sicher ist, dass die Kohle unter den Dörfern tatsächlich
       gebraucht wird“. Letztlich würden Gerichte entscheiden, ob die Umsiedlungen
       fortgesetzt werden müssten.
       
       ## Klimaaktivisten sollen Wald räumen
       
       Bereits seit längerem steht fest, dass der seit Jahren umkämpfte
       [3][Hambacher Forst] erhalten bleibt. Pinkwart rief die Klimaaktivisten
       auf, den Wald zu räumen. Der Wald solle nun mit anderen ebenfalls vom
       Tagebau verschonten Waldgebieten vernetzt werden. „Die Vernetzung der
       Wälder und ihre gedeihliche Entwicklung könnten dadurch gefördert werden,
       wenn die rechtswidrig errichteten Baumhäuser jetzt endlich geräumt würden.“
       
       Die Zahl der Aktivisten im Hambacher Forst schwankt nach Polizeiangaben
       stark, nach Auskunft im Juni sollen es ungefähr 100 Personen sein. Die
       Waldbesetzer sollen an die 100 Baumhäuser errichtet haben.
       
       NRW trage wesentlich dazu bei, dass Klimaziele Deutschlands und auch des
       internationalen Pariser Abkommens erreicht werden könnten, sagte Pinkwart.
       Bis in das Jahr 2028 erfolgten alle endgültigen Stilllegungen von
       Braunkohleblöcken ausschließlich im Rheinischen Revier. Bis 2029 übernehme
       NRW damit 70 Prozent der zu reduzierenden Braunkohlekapazitäten. Daraus
       folge auch der bei weitem größte Beitrag zur CO2-Einsparung.
       
       Für die Dörfer, die direkt an den Tagebau Garzweiler II angrenzen, sieht
       die Leitentscheidung nun größere Abstände der Abbaugrenze des Tagebaus zu
       den Ortsrändern vor. Die Abstände sollen auf mindestens 400 Meter
       vergrößert werden.
       
       8 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.alle-doerfer-bleiben.de/
   DIR [2] https://www.wirtschaft.nrw/pressemitteilung/leitentscheidung2020
   DIR [3] /Erweiterung-von-Garzweiler-II/!5714911
       
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