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       # taz.de -- Proteste gegen Netanjahu in Israel: Bibi bricht die Basis weg
       
       > In Israel überschattet Gewalt die Proteste gegen den Ministerpräsidenten
       > Netanjahu. Hooligans gehen gegen linke Demonstrierende vor.
       
   IMG Bild: Das Teams des Künstlers Itay Zalait zeigt Premierminister Netanjahu beim „Letzten Abendmahl“
       
       Berlin taz | „Sie wollen uns ermorden“, [1][zitiert] die Tageszeitung
       Haaretz einen verletzten, auf dem Boden liegenden Demonstranten in Tel
       Aviv. Mit hunderten weiteren Menschen protestierte er gegen die zunehmende
       Polizeigewalt bei den seit Wochen anhaltenden [2][Demonstrationen gegen
       Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu].
       
       Seinem Minister für öffentliche Sicherheit, Amir Ohana, vor dessen Haus
       sich die Menschen am Dienstagabend versammelt hatten, warfen sie vor, die
       Proteste mit bislang ungewohnt hartem Vorgehen der Polizei eindämmen zu
       wollen.
       
       Doch am Dienstag war es nicht die Polizei, sondern eine Gruppe junger
       Männer, die Gewalt ausübte. Drei der Angreifer wurden am Mittwochnachmittag
       festgenommen. Es handelt sich um Mitglieder von „Maccabi Fanatics“, Fans
       des Fußballclubs „Maccabi Tel Aviv“.
       
       Den Berichten zufolge stachen die Angreifer mit zerbrochenen Glasflaschen
       auf die Demonstrant*innen ein, schlugen sie mit Stühlen und besprühten sie
       mit Pfefferspray. „Wo ist die Polizei?“, rief der Verletzte dem
       Haaretz-Bericht zufolge. Fünf Menschen wurden ins Krankenhaus eingeliefert,
       zwei von ihnen mit schweren Schnittwunden.
       
       Der Vorfall am Dienstagabend war nicht der erste Angriff auf
       Netanjahu-Kritiker*innen: Bereits am Freitagabend hatten rund fünfzig
       Mitglieder von „La Familia“ eine Demonstration vor Netanjahus Residenz in
       Jerusalem attackiert.
       
       ## So viele Neuinfektionen wie noch nie
       
       Das Land ist im Krisenmodus: Mehrmals wöchentlich haben in den vergangenen
       Wochen Tausende gegen die Politik der Regierung in der Coronakrise
       demonstriert. Am Mittwoch stieg die Zahl der täglichen Neuinfektionen mit
       2.093 gemeldeten Fällen auf ein neues Rekordhoch. Wegen Netanjahus
       Coronamanagements, aber auch wegen seiner Anklage in drei
       Korruptionsfällen, fordern viele seinen Rücktritt. Auch werfen sie ihm vor,
       die Demokratie auszuhöhlen.
       
       Der Ministerpräsident habe mit seiner Hetze gegen Linke zu den jüngsten
       Angriffen beigetragen, sagen viele Demonstrant*innen. Auch
       Oppositionsführer Jair Lapid [3][twitterte] am Mittwoch: „Das Blut, das
       gestern in Tel Aviv vergossen wurde, klebt an den Händen von Bibi und
       seinen Abgesandten.“
       
       Die Bewegung „Crime Minister“, die die Proteste mit anführt, schrieb
       [4][auf Facebook], die Polizei habe die Demonstrant*innen bewusst und
       systematisch alleingelassen. „Wir sind gewaltfrei in unserem Konzept, aber
       wir wissen uns zu verteidigen in der Stunde der Not“, fügte sie hinzu. Die
       Demonstrant*innen forderte die Bewegung auf, sich vor der für kommenden
       Donnerstag angesetzten Demonstration Pfefferspray zu kaufen.
       
       ## Netanjahu beim Letzten Abendmahl
       
       „Es gibt keinen Platz für Gewalt“, schrieb Netanjahu in einer auf Facebook
       veröffentlichten [5][Stellungnahme] am Mittwoch. „Ebenso wenig ist Platz
       für Aufhetzung oder Morddrohungen – explizit oder implizit – gegen mich und
       Mitglieder meiner Familie, einschließlich der peinlichen Drohung einer
       Kreuzigung heute in Tel Aviv“.
       
       Damit bezog er sich auf eine Installation des Künstlers Itay Zalait auf dem
       Rabin-Platz in Tel Aviv. Dort genießt eine lebensgroße Statue Netanjahus
       ein üppiges Mahl an einem ausladenden Tisch – ganz allein. Laut eigener
       Aussage will Zalait damit „das letzte Abendmahl der israelischen Demokratie
       darstellen“.
       
       Doch was das Kunstwerk auch zeigt: Israels rechts-religiösem
       Ministerpräsidenten bricht die eigene Basis weg. Auf den
       Anti-Netanjahu-Demonstrationen sind immer mehr Menschen zu sehen, die
       bisher zu seinen Anhängern gehörten. Plakate wie „Ich bin rechts und ich
       bin hier“ sind keine Seltenheit mehr bei den Protesten.
       
       29 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-broken-bottles-and-pepper-spray-protesters-against-netanyahu-gov-t-recount-assault-1.9028818
   DIR [2] /Welle-der-Proteste-in-Israel/!5695995
   DIR [3] https://twitter.com/yairlapid/status/1288322811031945218
   DIR [4] https://www.facebook.com/IsraelCrimeMinister
   DIR [5] https://www.facebook.com/Netanyahu/posts/10157584869962076
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Judith Poppe
       
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