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       # taz.de -- Proteste im Iran: Absagen, Rücktritte, Ausreden
       
       > Wieder sind im Iran Tausende auf die Straße gegangen. Neu ist, dass sie
       > Chamenei als „Mörder“ bezeichnen und seinen Rücktritt sie fordern.
       
   IMG Bild: Konfrontation in Teheran: Polizist und Demonstrant während der Proteste am 11. Januar
       
       Berlin taz | Die regierungskritischen Proteste gegen den [1][Abschuss einer
       ukrainischen Passagiermaschine] und gegen die [2][Vertuschungsversuche der
       iranischen Führung] weiten sich aus. Am Montag gingen erneut Tausende
       Menschen in der Hauptstadt Teheran und anderen Städten wie Isfahan,
       Schiras, Maschhad, Tabris, Rascht, Kerman, Sari, Amol auf die Straße. Laut
       der Nachrichtenagentur Ilna versammelten sich am Montagabend mehr als 3.000
       Menschen auf dem Teheraner Asadi-Platz.
       
       Die Polizei und Sicherheitskräfte, die sich zu Beginn der Proteste am
       Samstag noch zurückgehalten hatten, gehen immer brutaler gegen die
       Demonstranten vor. Auf [3][Videos] sind Schüsse zu hören, auf den Straßen
       sieht man Blutlachen. Zu sehen sind auch mit Schlagstöcken bewaffnete
       Sicherheitsbeamte, die auf Demonstranten einschlagen.
       
       Neu ist bei diesen Protesten, dass sie sich direkt gegen die Staatsführung
       richten – allen voran gegen Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei, den
       die Demonstranten als „Mörder“ und „Lügner“ bezeichnen und dessen
       sofortigen Rücktritt sie fordern. Auch „Tod dem Diktator“ rufen sie.
       
       Im ganzen Land vermischt sich Trauer mit Wut: Trauer über den Tod der 176
       Passagiere und Wut darüber, belogen und betrogen worden zu sein. Viele
       klagen darüber, dass die Machthaber das eigene Volk, die Nöte der Menschen,
       ihre Würde und Gefühle längst nicht mehr wahrnehmen.
       
       Neu im Vergleich zu den landesweiten [4][Demonstrationen von vergangenem
       November], an denen hauptsächlich Menschen aus schlechter gestellten
       Schichten der Gesellschaft teilnahmen, ist auch die Teilnahme der Menschen
       aus der Mittelschicht. Künstler, Schriftsteller, Musiker und Filmemacher
       haben sich den Protesten angeschlossen.
       
       Einige erklärten, dass sie an den Film-, Literatur- und Musikfestivals, die
       im Februar in Teheran stattfinden, nicht teilnehmen werden. Der im Iran
       populäre Sänger Ali Resa Assar veröffentlichte [5][ein Video auf
       Instagram], in dem er erklärte, er habe sein angekündigtes Konzert
       abgesagt. „Das ist das Mindeste, was ich tun kann“, sagte er. Eine Gruppe
       von Künstlern forderte, dass die Verantwortlichen für den Abschuss am
       vergangenen Mittwoch vor Gericht gestellt werden.
       
       ## Rücktritte von Redakteuren
       
       Viele Journalisten entschuldigten sich dafür, dass sie drei Tage lang
       falsche Informationen verbreitet haben. Einige Redakteure kündigten ihre
       Zusammenarbeit mit dem staatlichen Fernsehen. Der Verein iranischer
       Journalisten veröffentlichte eine Erklärung, in der es heißt: „Das
       Vertrauen zwischen der Presse und der Öffentlichkeit ist schwer
       beschädigt.“ Es werde lange dauern, es zurückzugewinnen.
       
       In der staatlichen Führung versuchen nun einzelne Organe, sich aus der
       Verantwortung herauszuziehen. Die Regierung von Präsident Hassan Rohani
       ließ durch ihren Sprecher Ali Rabiei erklären, sie sei an der Vertuschung
       nicht beteiligt gewesen. „Kein Mitglied der Regierung, auch nicht der
       Präsident, war bis Freitagnachmittag darüber informiert, dass das Flugzeug
       von einer Rakete abgeschossen wurde“, sagte er.
       
       Das Regime versucht, den Ansehensverlust des Staates möglichst gering zu
       halten. Der Abgeordnete Qasim Sadeqi sagte, man dürfe den Feinden nicht die
       Gelegenheit geben, aus dem Vorfall Nutzen zu ziehen. Fehler bei den
       Streitkräften seien nicht ungewöhnlich und gebe es überall auf der Welt.
       „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Sache aufgebauscht wird.“ Auch
       Justizchef Ebrahim Raisi sagte: „Wir werden jeden Missbrauch verbieten.“
       
       Angehörige der Opfer berichteten, dass ihnen unter Androhung von Strafe
       untersagt worden sei, ausländischen Sendern Interviews zu geben oder
       öffentlich Trauerfeiern für ihre Angehörigen zu veranstalten.
       
       13 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Flugzeug-Absturz-bei-Teheran/!5655128
   DIR [2] /Proteste-gegen-Regime-in-Teheran/!5652223
   DIR [3] https://apnews.com/1b5f51dc8712b6fcddc2010bbd9de31f
   DIR [4] /Proteste-in-Teheran/!5641656
   DIR [5] https://www.instagram.com/p/B7Ojl-ZgdGh/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bahman Nirumand
       
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