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       # taz.de -- Proteste in Belarus: Opposition ruft zu neuen Streiks
       
       > Mit flächendeckenden Streiks will die Opposition in Belarus Lukaschenkos
       > Macht brechen. EU-Ratschef Charles Michel beruft für Mittwoch einen
       > Sondergipfel ein.
       
   IMG Bild: Minsk am Sonntag: Die Opposition gegen Lukaschenko lässt nicht locker
       
       Minsk dpa/rtr | Die [1][Gegner von Staatschef Alexander Lukaschenko] in
       Belarus haben zu Beginn der neuen Arbeitswoche zu flächendeckenden Streiks
       in den Staatsbetrieben aufgerufen. Die Arbeitsniederlegungen sollen die
       Basis für den Machtapparat brechen – die staatlichen Betriebe gelten in der
       früheren Sowjetrepublik als elementar für das Funktionieren des Staates.
       
       Die Arbeitskollektive sollten vor allem ihren Unmut über die [2][Folter in
       den Gefängnissen] und über die Todesfälle äußern, hieß es in den Aufrufen.
       Am Morgen begannen bereits erste Streiks.
       
       Experten gehen davon aus, dass Lukaschenko über die Streiks am schnellsten
       zum Aufgeben gedrängt werden kann. Er selbst wird an diesem Montag bei dem
       Fahrzeughersteller MZKT erwartet, wo er die Belegschaft auf Linie bringen
       will. Lukaschenko hatte am Sonntag bei einer Kundgebung mit Unterstützern
       in einer leidenschaftlichen Rede noch einmal betont, dass er die Macht
       nicht hergebe. Das Staatsfernsehen zeigte die Rede am Montag erneut.
       
       Lukaschenkos Gegner riefen andere Arbeiter auf zur Solidarität mit der
       MZKT-Belegschaft. Am Montagabend (17.00 Uhr MESZ) sollten sich die Arbeiter
       aus den Staatsbetrieben auf dem Unabhängigkeitsplatz in Minsk zu einer
       neuen Kundgebung versammeln, um die Proteste im Land für einen Rücktritt
       Lukaschenkos zu unterstützen. Geplant sei im Anschluss ein „Sitzstreik“,
       den es von nun an jeden Tag geben solle, bis der 65-Jährige das Amt
       verlasse. Auch in anderen Städten seien am Abend neue Proteste geplant.
       
       EU-Ratschef Charles Michel für Mittwoch einen EU-Videogipfel angesetzt. Die
       Menschen in Belarus hätten das Recht, über ihre Zukunft zu entscheiden und
       ihre Führung frei zu wählen, schrieb Michel am Montag auf Twitter. Gewalt
       gegen die Demonstranten sei inakzeptabel.
       
       Die Bundesregierung setzt sich für eine unabhängige Überprüfung des
       belarussischen Wahlergebnisses ein. Am besten dafür geeignet sei die
       Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), sagte
       Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.
       
       Bei den größten Protesten bisher überhaupt waren im ganzen Land nach
       Schätzungen von Aktivisten am Sonntag mehr als eine halbe Million Menschen
       auf den Beinen. Allein in der Hauptstadt Minsk waren es Hunderttausende.
       Proteste in dieser Größenordnung in Belarus gelten als historisch. Sie
       verliefen friedlich.
       
       Die Polizei schritt – anders als in der vergangenen Woche – nicht mehr ein.
       Die Lage ist gespannt, weil die Behörden die Proteste für illegal erklärt
       haben. Es stehen auch Militärfahrzeuge bereit, wie auf Fotos im
       Nachrichtenkanal Telegram zu sehen ist.
       
       Unterdessen hat Oppositionspolitikerin [3][Swetlana Tichanowskaja] ihre
       Bereitschaft zur Machtübernahme signalisiert. Sie sei bereit, ihr Land zu
       führen, sagte sie am Montag in einer von Litauen aus verbreiteten
       Videoansprache. Zugleich sprach sie sich dafür aus, den rechtlichen Rahmen
       für neue und faire Wahlen zu schaffen. An den Sicherheitsapparat ihres
       Heimatlandes appellierte sie, sich von der Regierung von Präsident
       Alexander Lukaschenko zu lösen und die Seiten zu wechseln. Ihr früheres
       Verhalten werde vergeben, wenn sie dies jetzt täten.
       
       Tichanowskaja war nach der Wahl am vorvergangenen Wochenende laut Angaben
       ihres Teams nach Drohungen der Behörden [4][nach Litauen ausgereist]. Ihr
       Mann ist als Oppositioneller seit Längerem in Belarus in Haft.
       
       17 Aug 2020
       
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