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       # taz.de -- Proteste in China: Keine umfassende Systemkritik
       
       > Die Proteste gegen die Covid-Politik in China sind außergewöhnlich. Doch
       > sie haben nicht die Kraft, dem Herrschaftssystem gefährlich zu werden.
       
   IMG Bild: Proteste am 27. November in Peking
       
       Proteste hat es in China immer gegeben – auch zuletzt unter Xi Jinping. Sie
       richten sich gegen korrupte Parteisekretäre, Chemiefabriken oder auch mal
       gegen einen sexistischen Chef. Sie bleiben in der Regel aber lokal
       begrenzt.
       
       Das war am vergangenen Wochenende anders. Hunderte, in einigen Städten
       womöglich Tausende, zogen durch die Straßen von Shanghai, Peking,
       Guangzhou, und weiteren Städten, riefen Parolen und hielten weiße Blätter
       vor sich – als Ausdruck der fehlenden Meinungsfreiheit.
       
       Anlass sind die völlig überzogenen Covid-Maßnahmen. Zumindest in Shanghai
       [1][riefen einige aber auch zum Sturz von Xi Jinping] auf. Auch das hat es
       lange nicht mehr gegeben. Und die Proteste gehen durch alle Schichten. In
       Shanghai und Peking fanden sie in wohlhabenden Vierteln statt, im
       Foxconn-Werk in Zhengzhou zogen wütende Wanderarbeiter übers
       Fabrikgelände.
       
       Seit der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem [2][Tiananmenplatz
       vor 33 Jahren] hat es in China zeitgleich keine so große Proteste gegeben.
       Um ein Revival von 1989, als Hunderttausende auf dem Tiananmenplatz
       zusammenkamen, handelt es sich aber nicht.
       
       ## Chinas hocheffizienter Polizeistaat verhindert Opposition
       
       Einen Umsturz müssen Xi Jinping und seine Handlanger erst einmal nicht
       befürchten. Denn es gibt gravierende Unterschiede zu damals. Zum einen sind
       die derzeitigen Proteste nicht organisiert, sondern eine Verdrahtung hat
       lediglich über die sozialen Medien stattgefunden. Das reicht zum Entstehen
       einer Protestwelle, aber nicht für eine Rebellion, die den Herrschenden
       gefährlich werden könnte.
       
       Chinas [3][hochtechnologisierter Polizeistaat] und die Zensoren schlagen
       derart effizient und wuchtig zu, dass schon organisatorische Ansätze im
       Keim erstickt werden. Zum anderen fehlt es an Oppositionellen, die bereit
       sind, für die Proteste auch zu sprechen und ihr so die nötige
       systemgefährdende Kraft zu verleihen. Die hatte es in Form der
       Studentenführer*innen 1989 gegeben.
       
       Und: Die meisten sind eben doch wegen der Covid-Maßnahmen der Regierung
       wütend. Um eine umfassende Systemkritik handelt es sich also nicht. Solange
       es der Führung gelingt, die wirtschaftlichen Verwerfungen im Zuge ihrer
       Covid-Maßnahmen sozial auszugleichen, wird aus dem Ärger kein
       umstürzlerischer Massenprotest.
       
       Die Demonstrationen dürften in den nächsten Tagen aufgrund der Repression
       abklingen. Nutzlos sind sie deshalb aber nicht. Xi Jinping hat es mit
       seinem Kontrollwahn im Zuge der Pandemie übertrieben. Die
       Demonstrant*innen haben ihm gezeigt, dass sie sich nicht alles gefallen
       lassen. Uneingeschränkt tun und walten wie er will kann Xi also nicht –
       trotz seiner jüngsten Krönung auf dem Parteikongress zum Alleinherrscher.
       
       4 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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   DIR Felix Lee
       
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