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       # taz.de -- Proteste in Georgien: Wasserwerfer und Tränengas
       
       > Zehntausende demonstrieren in Tiflis gegen die Ergebnisse der
       > Parlamentswahl von Ende Oktober. Sicherheitskräfte schlagen brutal
       > zurück.
       
   IMG Bild: Tiflis am Sonntag: Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ohne Vorwarnung ein
       
       Tiflis afp/taz | 20 Verletzte in Krankenhäusern – darunter ein Journalist,
       der von einem Gummigeschoss im Gesicht getroffen worden war: Das ist die
       Bilanz eines Polizeieinsatzes in der georgischen Hauptstadt Tiflis am
       Sonntag abend. Zehntausende Regierungsgegner hatten sich vor dem
       Parlamentsgebäude versammelt, um gegen [1][die Ergebnisse der
       Parlamentswahl vom 31. Oktober] zu demonstrieren.
       
       Die Beamten setzten Wasserwerfer und Tränengas ohne Vorwarnung ein, wie in
       Live-Übertragungen des Fernsehens zu sehen war. Die Demonstranten werfen
       der Regierungspartei Georgischer Traum Wahlfälschung vor, diese bestreitet
       die Vorwürfe. Bereits in der vergangenen Woche hatten tausende
       Regierungskritiker vor dem Parlament demonstriert.
       
       Wegen der Corona-Pandemie trugen viele Mund-Nasen-Masken. Vor dem
       Parlamentsgebäude versammelten sich etwa 45.000 Menschen, viele schwenkten
       die weiß-rote Flagge Georgiens.
       
       „Was der Georgische Traum bei den Wahlen gemacht hat, kommt einem Putsch
       gleich“, sagte die 33-jährige Demonstrantin Theona Lanchava. Durch die
       Proteste solle die Regierung gezwungen werden, Neuwahlen anzusetzen. Der
       70-jährige Givi Baramidse sagte, für Georgischer Traum sei die Wahl „der
       letzte Strohhalm“ gewesen und nun sei es an der Zeit, die Partei „hinweg zu
       fegen“.
       
       ## Unverhältnismäßige Gewaltanwendung
       
       Am Abend marschierten Demonstranten ein paar Kilometer durch die Stadt zum
       Sitz der Zentralen Wahlkommission. Als sie versuchten, das Gebäude zu
       blockieren, schritt die Polizei ein. Die georgische Ombudsfrau für
       Menschenrechte, Nino Lomdscharia, forderte die Polizei auf, „die
       unverhältnismäßige Gewaltanwendung gegen Demonstranten zu beenden“.
       
       Georgien befindet sich nach der Parlamentswahl vom 31. Oktober erneut in
       einer politischen Krise, nachdem die Regierungspartei Georgischer Traum den
       Wahlsieg für sich beansprucht hatte. Erstmals war [2][ein neues Wahlrecht]
       angewendet worden.
       
       Von 150 Mandaten werden 120 nach Parteilisten, 30 an Direktkandidaten
       verteilt. Nach offiziellen Angaben hat die Partei des Milliardärs Bidsina
       Iwanischwili die Wahl mit 48,15 Prozent gewonnen, auf die stärkste
       Oppositionspartei Vereinigte Nationale Bewegung (UNM) entfielen 27,14
       Prozent. Über 17 Direktmandaten soll am 21. November in einer Stichwahl
       entschieden werden.
       
       Internationalen Beobachtern der Organisation für Sicherheit und
       Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zufolge war die Wahl „alles andere als
       fehlerfrei“ abgelaufen. Alle Oppositionsparteien im Land weigern sich, das
       Wahlergebnis anzuerkennen.
       
       ## Nächtliche Ausgangssperre
       
       Die Oppositionsparteien hatten sich unter Führung der UNM des im
       ukrainischen Exil lebenden Ex-Präsidenten Michail Saakaschwili vereinigt.
       „Wir fordern die Ablösung der völlig diskreditierten Wahlbehörden und die
       Durchführung einer neuen Abstimmung“, sagte die führende UNM-Politikerin
       Salome Samadaschwili der Nachrichtenagentur AFP. Der UNM-Politiker Nika
       Melia sagte vor den Demonstranten: „Unsere Proteste werden dauerhaft sein.
       Sie zielen auf ganz Georgien.“
       
       Ministerpräsident Giorgi Gacharia warf der Opposition eigennützige
       Interessen vor. „Wir werden es nicht einigen machthungrigen Politikern, die
       ihre politischen Interessen verfolgen, erlauben, das Land zu zerstören“,
       erklärte der Regierungschef vor der Demonstration am Sonntag. Gacharia
       befindet sich nach einer Infektion mit Coron seit einer Woche in Quarantäne
       und kündigte eine ab Montag geltende nächtliche Ausgangssperre in großen
       Städten an.
       
       9 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Oertel
       
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