URI: 
       # taz.de -- Proteste in Hongkong gehen weiter: Es geht inzwischen um mehr
       
       > Das umstrittene Auslieferungsgesetz hat Hongkongs Regierungschefin Carrie
       > Lam komplett zurückgezogen. Aktivisten machen deutlich, dass ihnen das
       > nicht reicht.
       
   IMG Bild: Die Demonstranten in Hongkong lassen sich auch an diesem Wochenende kaum aufhalten
       
       Hongkong dpa | Erneut haben sich Zehntausende Demonstranten am Wochenende
       in Hongkong zusammengefunden, um für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu
       protestieren. Obwohl die [1][Regierung Zugeständnisse gemacht hatte], zogen
       sie am Sonntagzum US-Konsulat in der chinesischen Sonderverwaltungszone und
       warben um Unterstützung der Amerikaner. Demonstranten trugen die US-Flagge,
       auch die Nationalhymne der USA war zu hören.
       
       Zuvor hatten Demonstranten am Samstag Einkaufszentren sowie
       U-Bahn-Stationen besetzt, wobei es auch zu Zusammenstößen mit der Polizei
       der chinatreuen Regierung kam.
       
       Allerdings gab es zunächst deutlich weniger Gewalt als am vergangenen
       Wochenende, als die frühere britischen Kronkolonie [2][die bislang wohl
       schwersten Ausschreitungen] im Zuge der seit drei Monaten andauernden
       regierungskritischen Proteste erlebt hatte.
       
       Als Zeichen der Entspannung in Richtung der Protestbewegung hatte Hongkongs
       Regierungschefin Carrie Lam am Mittwoch den Entwurf für ein umstrittenes
       Gesetz für Auslieferungen nach China komplett zurückgezogen, das die
       Proteste ursprünglich ausgelöst hatte. Mit dem formellen Rückzug erfüllt
       Lam eine Hauptforderung der Demonstranten. Aktivisten machten aber
       deutlich, dass ihnen das nicht reicht.
       
       ## Polizei stoppt Flughafen-Protest
       
       Zu weiteren Forderungen der Demonstranten gehören der Rücktritt der
       Regierungschefin, eine unabhängige Untersuchung übermäßiger Polizeigewalt,
       die Freilassung von Festgenommenen und eine Rücknahme des Vorwurfs des
       „Aufruhrs“, sowie politische Reformen und wirklich freie Wahlen.
       
       Mit einem Großaufgebot verhinderte Hongkongs Polizei am Samstag einen neuen
       Protest am Hongkonger Flughafen. In Erwartung von Demonstranten, die sich
       für eine Protestaktion über das Internet verabredet hatten, reagierte die
       Polizei mit erhöhten Sicherheitsmaßnahmen. Hunderte Bereitschaftspolizisten
       patrouillierten am Flughafen und in der Umgebung.
       
       Auch der Verkehr zum Flughafen wurde streng überwacht. Beamte stoppten
       zahlreiche Autos und Busse, die in Richtung des Flughafens unterwegs waren.
       Statt am Flughafen versammelten sich Demonstranten in anderen Teilen der
       Stadt.
       
       Ein Brennpunkt war dabei die U-Bahn-Station Prince Edward, wo wütende
       Protestler am Samstag die Herausgabe von Überwachungs-Videos forderten und
       eine Barrikade in Brand setzten. Die Polizei reagierte mit Pfefferspray.
       Nachdem es bereits am vergangenen Samstag an der Station zu Ausschreitungen
       gekommen war, machten Gerüchte die Runde, dass dabei einige Protestierende
       ums Leben gekommen seien.
       
       Die Polizei versicherte daraufhin jedoch mehrfach, dass es seit Beginn der
       Protestwelle Anfang Juni keine Todesfälle gegeben habe. Es handele sich um
       „böswillige Online-Gerüchte“. Dennoch legten Demonstranten Blumen vor der
       Station nieder.
       
       ## Merkel über Menschenrechtsfragen
       
       Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte zum Abschluss [3][ihres
       China-Besuches] erneut ihre Hoffnung, dass die Konflikte in Hongkong
       friedlich gelöst werden. Merkel sagte am Samstag in Wuhan, alles andere
       wäre aus ihrer Sicht „eine Katastrophe“. Man habe ihr bei diesem Thema in
       Peking „zugehört“. Es sei wichtig, immer wieder im Gespräch zu bleiben.
       
       Sie fügte hinzu, Hongkong stehe zwar derzeit im Vordergrund. Es gebe in
       China aber auch noch andere Menschenrechtsfragen. Am Freitag hatte sie
       Gespräche in Peking mit Ministerpräsident Li Keqiang und Staats- und
       Parteichef Xi Jinping geführt, in denen auch die Proteste in Hongkong Thema
       waren.
       
       Chinas Premier gab sich mit Blick auf die Lage in Hongkong zurückhaltend.
       Die Zentralregierung unterstütze die Regierung dort, „Gewalt und Chaos“ im
       Rahmen der Gesetze zu beenden, sagte er.
       
       Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China in
       ihrem eigenen Territorium mit einem eigenen Grundgesetz nach dem Prinzip
       „ein Land, zwei Systeme“ autonom regiert. Die Hongkonger stehen unter
       Chinas Souveränität, genießen aber – anders als die Menschen in der
       kommunistischen Volksrepublik – mehr Rechte wie Meinungs- und
       Versammlungsfreiheit. Viele fordern auch freie Wahlen, wie es ihnen einst
       in Aussicht gestellt worden war.
       
       8 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Politische-Krise-in-Hongkong/!5623597
   DIR [2] /Traenengas-gegen-Protest-in-Hongkong/!5622085
   DIR [3] /Proteste-in-Hongkong/!5623946
       
       ## TAGS
       
   DIR Carrie Lam
   DIR China
   DIR Schwerpunkt Angela Merkel
   DIR Protest
   DIR Hongkong
   DIR Mao Tsetung
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR Joshua Wong
   DIR Hongkong
   DIR China
   DIR Hongkong
   DIR Hongkong
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR 70 Jahre Volksrepublik China: Was kommt nach dem Wachstum?
       
       Am 1. Oktober feiert China 70 Jahre Volksrepublik. Das System hatte oft
       Erfolg, doch es wird an seine Grenzen stoßen. Oder sich neu erfinden.
       
   DIR Proteste in Hongkong: Tausende marschieren trotz Verbot
       
       Am Sonntag gingen in Hongkong wieder Tausende Menschen auf die Straße. Es
       kam erneut zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten.
       
   DIR Joshua Wong über Proteste in Hongkong: „Deutschland sollte Druck ausüben“
       
       Hongkongs Demokratie-Ikone Joshua Wong hat bei einem Deutschlandbesuch um
       Hilfe gebeten. Der Bürgerrechtler zieht Parallelen zu Berlin im Kalten
       Krieg.
       
   DIR Proteste in Hongkong: Joshua Wong reist nach Deutschland
       
       Nachdem er mehrere Stunden festgenommen worden war, ist der Hongkonger
       Aktivist nun auf dem Weg nach Deutschland. Er soll bei einem Fest in Berlin
       sprechen.
       
   DIR Proteste in Hongkong: Merkel mahnt friedliche Lösung an
       
       Beim Besuch in China hat Kanzlerin Merkel die Unruhen in Hongkong
       angesprochen. Wirtschaftliche Beziehungen machen das zum Balanceakt.
       
   DIR Politische Krise in Hongkong: Auslieferungsgesetz beerdigt
       
       Hongkongs Regierung zieht den Entwurf zurück, der es erlaubt hätte,
       Gefangene nach China zu überstellen. Der Plan war Auslöser für anhaltende
       Proteste in der Stadt.
       
   DIR Merkels anstehender Peking-Besuch: Im Zweifel dann eben weniger China
       
       Bundeskanzlerin Angela Merkel reist wieder einmal nach Peking. Sie sollte
       dabei demokratische Überzeugungen nicht zugunsten der Wirtschaft opfern.