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       # taz.de -- Proteste in Iran: Prominenter Anwalt verhaftet
       
       > Der Anwalt Kamfiruzi wurde in Iran festgenommen. Er wurde als Vertreter
       > von Aktivist:innen und Journalist:innen gegen die Regierung
       > bekannt.
       
   IMG Bild: Niloufar Hamedi (r.) und Elahe Mohammadi sitzen in Haft, nun wurde ihr Anwalt verhaftet
       
       Wien taz | Der iranische Rechtsanwalt Mohammad Ali Kamfiruzi wurde
       verhaftet. Zuletzt vertrat Kamfiruzi zahlreiche Aktivist:innen und
       Journalist:innen, die ins Visier des iranischen Regimes geraten waren. Laut
       einem Bericht der iranischen Tageszeitung Ham Mihan erfolgte die Festnahme
       am vergangenen Mittwoch.
       
       Nach Angaben seines Anwalts wurde [1][Kamfiruzi ohne rechtliche Grundlage
       festgenommen]. Er habe weder eine Vorladung erhalten, noch wurden ihm
       Vorwürfe mitgeteilt.
       
       Kamfiruzis wohl bekannteste Klienten sind die beiden Journalistinnen
       [2][Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi]. Beide Frauen befinden sich seit
       drei Monaten im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis für politische
       Gefangene, nachdem sie über den Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini
       berichtet hatten.
       
       Amini wurde mutmaßlich in Gewahrsam der Sittenpolizei getötet. Öffentlich
       bekannt wurde Aminis Fall aber erst, als Nilufar Hamedi ein Foto
       veröffentlichte, das Amini in einem Teheraner Krankenhaus im Koma zeigt und
       auf dem deutliche Spuren von Gewalteinwirkung zu sehen sind. Die
       Journalistin Elahe Mohammadi berichtete anschließend von Mahsa Aminis
       Begräbnis in ihrem Heimatort Saqqez.
       
       ## Maximale Abschreckung
       
       Die Tötung Mahsa Aminis hatte [3][Mitte September die Proteste ausgelöst],
       die bis heute anhalten und die auf ein Ende des islamischen
       Herrschaftssystems zielen.
       
       Wegen ihrer Berichte sieht das Regime die beiden Journalistinnen als die
       Hauptverantwortlichen für die aktuellen Unruhen. Ende Oktober warfen das
       Geheimdienstministerium und der Geheimdienst der Revolutionsgarden den
       Journalistinnen vor, unter der Tarnkappe des Journalismus als Agentinnen
       für fremde Mächte agiert und gezielt Informationen für ausländische Medien
       beschafft zu haben. Auf solche Anschuldigungen steht in Iran die
       Todesstrafe.
       
       Schon jetzt ist Kamfiruzi einer der wenigen Anwälte in Iran, die sich
       solcher Fälle annehmen. Seine Festnahme kann als Teil einer größeren
       Kampagne des Regimes gegen kritische Rechtsanwälte gesehen werden. Die
       sozialen Kosten sollen nach oben getrieben werden. Nur wenige Anwälte in
       Iran sind bereit, politische Gefangene vor der befangenen Justiz zu
       verteidigen – aus Furcht vor den Konsequenzen. Laut der iranischen
       Tageszeitung Ham Mihan befinden sich derzeit 25 Anwälte in Verbindung mit
       den aktuellen Protesten in Haft.
       
       Infolgedessen werden den Angeklagten – wenn überhaupt – regimetreue Anwälte
       zugewiesen. So sind die Beschuldigten der abhängigen Justiz schutzlos
       ausgeliefert.
       
       Diese Strategie der Abschreckung ist nicht nur für Anwälte spürbar, sondern
       [4][trifft weit Teile der Gesellschaft]. Die regimetreuen Basidsch-Milizen
       verwüsteten Geschäfte, die an landesweiten Streiks teilnahmen, oder
       markierten sie mit Graffiti als „Verräter“. Die junge Ärztin Aida Rostami
       pflegte verletzte Protestierende heimlich zu Hause, bevor sie am 12.
       Dezember verschwand und die Behörden einen Tag darauf ihre Leiche der
       Familie übergaben. Letzte Woche berichtete die New York Times von einem
       14-jährigen Schulmädchen, das an den Folgen einer Vergewaltigung starb. Sie
       hatte nach der Schule zum Protest ihren Hidschab abgenommen und wurde
       daraufhin von Regimekräften identifiziert und verschleppt.
       
       Solche Fälle zeigen eindrücklich, zu welcher Gewalt das theokratische
       Regime bereit ist, um seine Macht zu sichern. Ob sich die Iraner:innen
       dadurch einschüchtern lassen, ist allerdings fraglich. Für die kommenden
       Tage sind neue Proteste angekündigt.
       
       20 Dec 2022
       
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