URI: 
       # taz.de -- Proteste in Tunesien: System mit Schwächen
       
       > Die Proteste in Tunesien richten sich nicht nur gegen Korruption und die
       > miese Wirtschaftslage. Den Menschen geht es auch um demokratische
       > Reformen.
       
   IMG Bild: Die Demonstrierenden am Dienstag in Tunis fordern demokratische Reformen
       
       Es überrascht: Die [1][Demonstrierenden in Tunesien] fordern nicht nur ein
       Ende der Korruption und eine Verbesserung ihrer sozioökonomischen Lage.
       Unter den Slogans findet sich auch das aus den [2][Aufständen von 2011]
       bekannte „Das Volk will den Sturz des Systems“ – ausgerechnet in Tunesien,
       dessen autoritäres System damals tatsächlich zu Fall gebracht wurde und
       das, Stand heute, als Erfolgsgeschichte der damaligen Umstürze gilt.
       
       Tunesien hat viel erreicht. Der Autoritarismus der Ben-Ali-Ära ist
       überwunden. Die Verfassung von [3][2014] gewährt demokratische Rechte wie
       Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Mehrfach haben freie Parlaments- und
       Präsidentschaftswahlen stattgefunden. Die Islamisten nehmen am
       demokratischen Prozess teil und das Militär ist in den Kasernen geblieben.
       Trotzdem ist nicht nur die katastrophale Wirtschaft ein Problem. Es krankt
       auch im neuen politischen System.
       
       Die eingeführte Parteiendemokratie mit einer zwischen Präsident und
       Ministerpräsident geteilten Exekutive funktioniert in ihrer aktuellen Form
       nicht. Mit zwanzig Parteien ist das Parlament zerklüftet; Abgeordnete
       wechseln die Fraktion wie ihre Unterwäsche; und kaum eine der neun
       Regierungen, die das Land seit 2011 hatte, konnte sich länger als ein Jahr
       im Amt halten. Verwundert es, dass viele dem jungen demokratischen System
       zunehmend misstrauen?
       
       Um Perspektiven zu schaffen und das Land aus der Krise zu führen, braucht
       es weitere Reformen. Vorschläge liegen auf dem Tisch, von einer
       Wahlrechtsreform samt Prozenthürde für den Einzug ins Parlament über ein
       [4][Verfassungsgericht] bis hin zu klareren Regeln zur Parteienfinanzierung
       und innerparteilichen Demokratie. Über Reformen entscheiden die
       Tunesier*innen. Daher ist zu hoffen, dass der Druck der Straße wächst,
       sich aber nicht auf destruktive Art und Weise Bahn bricht.
       
       Nur eine breite Bewegung, die konstruktiv und Hand in Hand mit Tunesiens
       lebendiger Zivilgesellschaft die politische Elite unter Druck setzt, wird
       das Land voranbringen.
       
       27 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Proteste-in-Tunesien/!5742146
   DIR [2] /Zehn-Jahre-Arabischer-Fruehling/!5737510
   DIR [3] /Praesidentschaftswahl-in-Tunesien/!5028413
   DIR [4] /Justiz-in-Tunesien/!5739167
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Hagmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Tunesien
   DIR Zehn Jahre Arabischer Frühling
   DIR Ben Ali
   DIR Demokratie
   DIR Kolumne Stadtgespräch
   DIR Reality-Show
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Tunesien
   DIR Tunesien
   DIR Antisemitismus
   DIR Tränengas
   DIR Tunesien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Tunesien in der nächsten Coronawelle: Lockdown und Touristenstrände
       
       Die Krankenhäuser sind voll mit Covid-Patienten, die Strände mit Touristen.
       Die Infektionszahlen in Tunesien steigen wieder rasant an.
       
   DIR Fernsehen im Irak: Wenn Reality-TV zu real ist
       
       Shows mit versteckter Kamera im Irak und in Tunesien schockierten mit
       extremen Streichen. Promis dachten, sie würden vom IS entführt.
       
   DIR Coronapandemie in Tunesien: Streiken statt Impfen
       
       Ärzte und Pfleger in in den staatlichen Kliniken Tunesiens fordern bessere
       Arbeitsbedingungen. Dies verlangsamt auch die Impfkampagne in dem Land.
       
   DIR LGBT-Szene in Tunesien: Ein Urteil, ein Ziel
       
       Eine bekannte tunesische Queer-Aktivistin muss ins Gefängnis. Aktivisten
       kritisieren das Urteil als Teil einer staatlich gelenkten Kampagne,
       
   DIR Protest in Tunesien: Mechichi baut um
       
       In Tunesien reißt der Protest nicht ab, ein Demonstrant erliegt seinen
       Verletzungen. Inmitten der Krise ernennt der Regierungschef elf neue
       Minister.
       
   DIR Antisemitismus in Tunesien: Juden als Sündenböcke
       
       Präsident Saied soll auch Juden für die sozialen Unruhen in seinem Land
       verantwortlich gemacht haben. Jetzt ist er um Schadensbegrenzung bemüht.
       
   DIR Proteste in Tunesien: Neue Generation probt den Aufstand
       
       In Tunesien reißen die Proteste nicht ab. Mehrere Nächte in Folge haben
       sich junge Menschen Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften geliefert.
       
   DIR Unruhen in Tunesien: Der Frust entlädt sich
       
       Zum Jahrestag der Revolution herrscht ein viertägiger Lockdown. In Tunis
       und anderen Städten kommt es zu Barrikaden und Plünderungen.