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       # taz.de -- Prozessbeginn im Fall Samuel Paty: Wie eine Lüge den Hass befeuerte
       
       > 2020 wurde der französische Lehrer Samuel Paty ermordet. Nun stehen acht
       > Leute vor Gericht. Es könnte Haftstrafen von bis zu 30 Jahren geben.
       
   IMG Bild: Auf einer Trauerkundgebung für den ermordeten Lehrer Samuel Paty im Oktober 2020 in Conflans-Sainte-Honorine
       
       Paris taz | Am 16. Oktober 2020 wurde der Geschichts- und Geografielehrer
       Samuel Paty (damals 47) nach dem Unterricht auf seinem Heimweg von der
       Mittelschule Bois-d’Aulne in Conflans-Sainte-Honorine im Nordwesten von
       Paris von dem islamistischen Terroristen Abdoullakh Anzorov überfallen,
       [1][ermordet und enthauptet.]
       
       Der in Frankreich aufgewachsene junge Tschetschene begründete seine
       grausame Tat in einer Videobotschaft mit einer Polemik, die Paty in einer
       Klasse mit einer blasphemischen Debatte über eine Mohammed-Karikatur aus
       der Satirezeitschrift Charlie Hebdo ausgelöst habe. Anzorov wurde wenig
       später unweit des Tatorts von der Polizei erschossen.
       
       Der dschihadistische Angriff auf einen Lehrer hatte wegen seiner Brutalität
       über die Grenzen Frankreichs hinaus schockiert. Auch hatte er die
       beängstigende Frage aufgeworfen, ob sich die Erziehenden des öffentlichen
       Bildungswesens, die auf ihrer Meinungs- und Lehrfreiheit bestehen,
       tödlichen Gefahren aussetzen, und inwiefern die laizistische Toleranz und
       Neutralität durch religiöse Extremisten bedroht sei.
       
       [2][Am Anfang stand die Lüge einer Schülerin]. Die hatte den Unterricht
       geschwänzt, zu Hause aber erzählt, sie sei vom Lehrer Paty bestraft und des
       Klassenzimmers verwiesen worden, weil sie als Gläubige Anstoß an einer
       Mohammed-Karikatur genommen habe. In der Folge protestierte ihr Vater
       mehrfach und auch in bedrohlicher Weise gegen den Lehrer. In den sozialen
       Medien weitete sich die Polemik in islamistischen Kreisen rasch aus. Paty,
       der wegen seiner angeblichen Beleidigung des Propheten Todesdrohungen
       erhielt, wurde zu einer Zielscheibe.
       
       ## Hassprediger soll Schlüsselrolle gespielt haben
       
       Um die persönliche Verantwortung für diese unheilvolle Eskalation, die nach
       der stupiden Lüge einer Minderjährigen zu einem Mordanschlag im Namen des
       dschihadistischen Terrorismus führte, geht es beim Prozess gegen acht
       Personen. Sie sind wegen ihrer Verwicklung und ihrer Beziehungen zu Anzorov
       vor einem Sonderschwurgericht für Terrorismus der Beihilfe und der Bildung
       einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Sechs zur Tatzeit minderjährige
       ehemalige Mittelschüler sind zuvor bereits zu mehrmonatigen Haftstrafen
       verurteilt worden. Der jetzige Prozess gegen die acht Erwachsenen soll rund
       sieben Wochen dauern.
       
       Zwei Jugendfreunde von Anzorov werden namentlich beschuldigt, beim Kauf der
       Messer beteiligt gewesen zu zu sein, die dieser beim Mordanschlag verwendet
       hat. Beide beteuern bisher, sie hätten weder von der Polemik wegen der
       Karikaturen noch den Attentatsplänen gewusst. Eine verhängnisvolle Rolle
       hat der Vater der Schülerin gespielt, der sich aufgrund ihrer
       Lügengeschichte in den Netzwerken über Paty beschwert und ihn mit Namen und
       Wohnadresse für allfällige Angriffe exponiert hatte. Er stand angeblich
       mehrfach telefonisch in Kontakt mit Anzorov, versichert aber, er habe
       keinesfalls zu einem Mord angestiftet.
       
       Eine Schlüsselrolle bei der Anstachelung des Hasses soll laut der Anklage
       [3][ein islamistischer Prediger] gespielt haben. Er bezeichnete Paty als
       „Schurkenlehrer“ und als typisches Beispiel der „Islamophobie“ in
       Frankreich. Beispiele dafür seien die für ihn unerträglichen
       Mohammed-Karikaturen von Charlie Hebdo, die bereits in der Vergangenheit
       als Anlass für Terrorangriffe mit zahlreichen Toten vorgeschoben worden
       waren (im Januar 2015 gegen die Redaktion der Satirezeitung selbst).
       
       Vier weitere Angeklagte standen ebenfalls in den Netzwerkgruppen mit
       Anzorov in Kontakt, in denen dschihadistische Propaganda verbreitet wurde.
       Sie hätten dabei den Fall Paty laut Anklage als „Blasphemie“ und als „Krieg
       der (französischen) Institutionen gegen die Muslime“ dargestellt. Einer der
       vier plante zudem, für den Dschihad nach Syrien oder Afghanistan zu reisen.
       
       Für ihre Verwicklung in die Vorbereitung des Mordanschlags gegen Samuel
       Paty erwarten die acht Angeklagten bei einem Schuldspruch Haftstrafen von
       bis zu 30 Jahren.
       
       4 Nov 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
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