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       # taz.de -- Rädertierchen wieder aufgetaut: Huch, kein Mammut mehr da
       
       > 24.000 Jahre haben Rädertierchen im arktischen Permafrost überdauert –
       > und sind nun aufgetaut. Was wir Menschen von diesen Miniwesen lernen
       > können.
       
   IMG Bild: Nach 24.000 Jahren ins Leben zurückgeholt: das Rädertierchen
       
       Es ist ja ein beliebter Filmstoff: Irgendwer wird eingefroren, überdauert
       ein paar Jahrzehnte im Tiefschlaf, und schließlich steht [1][Captain
       America ratlos in einer neuen Welt], die sich ganz schön verändert hat. Was
       sollen da erst die Rädertierchen sagen, die von russischen Forschenden
       gerade aufgetaut worden sind?
       
       Die nur 0,1 bis 0,5 Millimeter großen, mehrzelligen und sogar mehrorganigen
       Winztierchen haben 24.000 Jahre eingefroren im arktischen Permafrostboden
       überdauert und dürften sich ziemlich wundern, wenn sie sich jetzt
       umschauen. Kein Mammut mehr da und diese zweibeinigen Affen machen ziemlich
       seltsame Sachen.
       
       Kryptobiose klingt zwar nach einem neumodischen Achtsamkeitsaccessoire wie
       Glutenunverträglichkeit, ist aber die bemerkenswerte Fähigkeit von Zellen
       oder ganzen Organismen, komplett eingefroren lebend zu überdauern. Nun ist
       es natürlich etwas anderes, ob man ein Rädertierchen frostet oder einen
       Menschen.
       
       Aber am Ende ist es eher ein quantitatives als ein qualitatives Problem.
       Denn auch ein Rädertierchen hat einen Fuß, einen Verdauungstrakt und
       Vorrichtungen, um alles in der Umgebung schamlos anzutatschen und sich
       einzuverleiben. Und einen Fortpflanzungsapparat. Kaum aufgetaut, ging es
       gleich wieder zur Sache. Kein langes Geflirte, das Rädertierchen machtʼs
       sich lieber selbst und setzt genetisch identische Nachkommen in die Welt –
       mittels Parthenogenese, etwas altmodisch auch Jungfernzeugung genannt.
       
       Wir sollten diesen sehr alten Jungfern dankbar sein, denn wir können viel
       von ihnen lernen. Erstens: Einfach mal Pause machen schadet nicht.
       Zweitens: Das Leben geht weiter! Klar, hin und wieder muss man Rückschläge
       einstecken, zum Beispiel ein paar Jahrtausende im Eis, aber danach gibt es
       dann eine ordentliche Sause. [2][Ist das nicht für nach Corona] eine
       wirklich tröstliche Botschaft?
       
       Und drittens: Mögen uns die Zeiten auch noch so schnelllebig vorkommen,
       eigentlich ändert sich nicht viel. 24.000 Jahre geschlafen, und schon
       geht’s weiter mit Fressen und Fortpflanzen. Letztlich hat auch Captain
       America nach dem Auftauen nur kurz mit den Achseln gezuckt und dann das
       getan, was er früher auch schon gemacht hat, nämlich: Bösewichte
       verprügeln. Die wesentlichen Dinge ändern sich eben nie.
       
       11 Jun 2021
       
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